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Island startete 2014 eine Studie, um herauszufinden, ob sich kürzere Arbeitszeiten bei gleichbleibender Bezahlung positiv auf die Produktivität und die Work-Life-Balance auswirken. Bis 2021 nahmen insgesamt knapp 3000 der ca. 200.000 isländischen Arbeitnehmer*innen aus verschiedenen Unternehmen und Bereichen des öffentlichen Sektors an der Studie teil. In Island ist die durchschnittliche Wochenarbeitszeit im europäischen Vergleich mit 44,4 Stunden sehr hoch. Gleichzeitig ist die gemessene Produktivität pro gearbeiteter Stunde deutlich niedriger als in ähnlich wohlhabenden europäischen Ländern. Aus einer anderen Studie ergab sich außerdem, dass die Work-Life-Balance von den isländischen Arbeitnehmer*innen als schlecht empfunden wird.

Nur vier Tage die Woche arbeiten, aber Vollzeit bezahlt werden: Das Experiment in Island zeigt, wie das geht und was wir daraus lernen können.

In diesem Beitrag teilen wir mit euch die wichtigsten Erkenntnisse der Studie und erklären, welche Faktoren bei der Einführung einer 4-Tage-Woche wichtig sind.

Das Ergebnis der 4-Tage-Woche

Insgesamt war die Studie ein großer Erfolg. Sie zeigt positive Effekte auf die Gesundheit und die Work-Life-Balance der Mitarbeiter*innen sowie die Produktivität der Unternehmen. Was also für eine 4-Tage-Woche spricht, haben wir euch hier zusammengefasst:

Die Studie zeigt, dass Mitarbeiter*innen in 4 Tagen genauso viel schaffen, wie in einer 5-Tage-Woche. Insgesamt blieben die Produktivität und die erbrachten Services und Dienstleistungen in den teilnehmenden Unternehmen auf demselben Level. In manchen Fällen stiegen sie sogar. Im Zuge der Einführung der 4-Tage-Woche haben die Unternehmen ihre Prozesse, ihre Kommunikations- und Entscheidungswege überdacht und angepasst. Dadurch wurden ineffiziente oder nicht notwendige Aufgaben und Prozesse aufgedeckt und optimiert. Zudem gaben die Mitarbeiter*innen an, durch den freien Tag als Belohnung motivierter zu sein ihre Arbeit effizient zu erledigen.

Die Studie hat gezeigt, dass die Mitarbeiter*innen tatsächlich weniger gearbeitet haben. Die Überstunden pro Mitarbeiter*in sind durch die 4-Tage-Woche gegenüber dem Niveau der 5-Tage-Woche nicht gestiegen. Zwar kam es punktuell zu mehr Überstunden durch ein erhöhtes Pensum. Im Durchschnitt blieben die Überstunden aber auf dem Niveau der 5-Tage-Woche. Auch die Führungskräfte konnten ihre Arbeitszeit reduzieren. Die Reduzierung der Arbeitszeit wurde von allen Teilnehmenden der Studie als entscheidender Faktor angegeben.

Der Großteil der Teilnehmer*innen gaben in der späteren Phase der Studie an, dass sich ihre Work-Life-Balance, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden im privaten und beruflichen Umfeld durch die 4-Tage-Woche verbessert haben. Durch die Stundenreduzierung haben sie mehr Zeit für sich, ihre Familie und Freizeitaktivitäten. Viele Teilnehmer*innen haben mehr Sport gemacht. Dies hatte auch positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden bei der Arbeit. Mitarbeiter*innen gaben an, dass sie sich insgesamt glücklicher und positiver fühlen am Arbeitsplatz. Die wichtigsten Gründe dafür sind weniger Stress, bessere Unterstützung von Kolleg*innen sowie mehr Klarheit über Rollen. Hinzu kommt mehr Selbstständigkeit durch die Überarbeitung der Prozesse.

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass die Einführung der 4-Tage-Woche in allen teilnehmenden Unternehmen erfolgreich war. Lediglich in einem Unternehmen gab es anfangs Schwierigkeiten bei der Reorganisation. Zwar nahmen an der Studie keine privaten Unternehmen teil, allerdings wurden verschiedene Sektoren und Tätigkeiten einbezogen. Unter anderem Planungs- und Verwaltungsbüros, Schulen, Pflegeeinrichtungen, Museen und Polizeieinrichtungen. Darunter befinden sich Unternehmen mit regulärem und mit Schichtbetrieb. Der Sektor und die Art der Organisation scheinen also weniger relevant für den Erfolg der 4-Tage-Woche.

Erfolgsfaktor der 4-Tage-Woche: Prozessoptimierung

Uns zeigt diese in verschiedenen Branchen angelegte Studie, dass die 4-Tage-Woche wirklich funktionieren kann. Neben dieser positiven Erkenntnis sticht für uns vor allem eine weitere hervor. Die Grundlage für den Erfolg der Einführung einer kürzeren Arbeitswoche ist das Überdenken und Restrukturieren von Prozessen, Kommunikationswegen und wie Entscheidungen getroffen werden. Alle teilnehmenden Unternehmen haben genau dies im ersten Schritt getan. In der Regel gemeinsam und hierarchieübergreifend, mit den Personen, die die Prozesse täglich ausführen. Lediglich ein Unternehmen hat ein dezentrales Komitee zur Reorganisation der Prozesse eingesetzt und die Transformation somit nicht aus den einzelnen Bereichen heraus umgesetzt. Dieses Unternehmen zeigte große Schwierigkeiten im Transformationsprozess.

Maßnahmen auf dem Weg zur 4-Tage-Woche

Der erste Schritt auf dem Weg zur 4-Tage-Woche sollte also die Optimierung eurer Prozesse sein. Nimmt man sie genau unter die Lupe, zeigen sich in der Regel eine Reihe an Potenzialen, eure Arbeit effizienter zu gestalten und euch zu entlasten. Die Maßnahmen, die euch dabei helfen sollen, Prozesse zu verschlanken und Zeit einzusparen sind vielseitig und individuell. In der Regel konzentrieren sich diese aber auf eure Arbeitsweisen, sowie die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen.

Arbeitsweisen

Digitalisierung und Automatisierung

Ein weiterer wichtiger Faktor, um eure Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten, ist die Digitalisierung und Automatisierung eurer Prozesse. Das ist in allen Unternehmensbereichen möglich.

Die Digitalisierung eurer Prozesse ist nicht nur Voraussetzung für eine Automatisierung. Sie macht Arbeitsabläufe einfacher, weil Daten übersichtlich und jederzeit abrufbar sind. Ein ERP-System ermöglicht beispielsweise Mitarbeiter*innen unterschiedlicher Unternehmensbereiche, auf dieselbe Datenbasis zugreifen zu können und Änderungen für alle sichtbar zu machen. Das wirkt sich auch positiv auf den internen Kommunikationsaufwand aus. Auch im Kontakt mit Kund*innen kann durch die Digitalisierung Zeit eingespart werden. Aktuelle und historische Kund*innendaten können jederzeit eingesehen werden. Statt anzurufen oder Dokumente per Post zu versenden, kann man diese mit wenigen Klicks per Mail verschicken oder online zur Verfügung stellen.

Ein großer Hebel für die effiziente Gestaltung eurer Prozesse ist deren Automatisierung. Aufgaben und Prozesse, die standardisiert und regelbasiert sind, können mithilfe von Robotic Process Automation (RPA) von Software Robotern übernommen werden. Diese Roboter können euch nicht nur in eurer täglichen Arbeit entlasten, sondern auch in eurer Abwesenheit Aufgaben ausführen. So kann in vielen Fällen z.B. das Servicelevel euren Kund*innen gegenüber gehalten werden, obwohl durch die 4-Tage-Woche die Anwesenheit der Mitarbeiter*innen reduziert wurde.

Ausblick

Für uns steht spätestens seit der Studie fest, dass das 4-Tage-Modell funktionieren kann. Uns ist aber bewusst, dass diese Umstellung nicht von heute auf morgen erfolgen kann. Es ist ein Transformationsprozess, der erstmal viel Zeit und Begleitung benötigt. Die eigenen Prozesse unter die Lupe zu nehmen und zu optimieren, lohnt sich aber auch über die Arbeitszeitreduzierung hinaus, auch für die Kund*innen. Wie in jedem Transformationsprozess ist es auch hier wichtig, alle Schritte gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen zu gehen und deren Bedürfnisse zu berücksichtigen. Wir hoffen, dass die isländische Studie viele Unternehmen dazu ermutigt, die 4-Tage-Woche einzuführen.