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Ein wesentlicher Faktor von Agilität ist die Ermächtigung der Teams zur selbstorganisierten Arbeit. Dazu ist es essenziell, dass Führungskräfte Entscheidungen in die Teams delegieren und diesen die Freiheit geben, Entscheidungen eigenständig zu treffen. Die von Jurgen Appelo entwickelte Methode „Delegation Poker hilft im agilen Umfeld die nötige Klarheit über Entscheidungsfreiräume zu schaffen – sowohl innerhalb der Teams als auch gegenüber Führungskräften.

Eine Herausforderung für Führungskräfte und Teams

Mit der Einführung eines agilen Teams, gibt die Führungskraft Verantwortung und Entscheidungsgewalt an diese selbstorganisierte Einheit ab. Für viele Führungskräfte ist das eine ganz neue Situation. Bis jetzt haben sie viele Entscheidungen allein und für das Team getroffen. Doch das funktioniert in der neuen Konstellation nicht mehr. Dennoch wird das Team in bestimmten Situationen weiterhin die Zustimmung und Meinung der Führungskraft benötigen. Somit können Entscheidungswege, insbesondere zu Beginn der agilen Reise, etwas unklar sein und chaotisch werden.

Auf der anderen Seite steht auch das Team vor einer neuen Herausforderung – wie sollen sie mit der neuen Freiheit umgehen und viele Entscheidungen selbst treffen? Was sind die individuellen Freiräume jedes einzelnen im Team und wo muss gemeinsam entschieden werden? Auch hier ist es hilfreich Spielräume klar zu definieren, um Entscheidungen wirklich schnell treffen zu können.

Durch Agilität Entscheidungen schneller treffen

Ein Vorteil, den sich viele durch Agilität versprechen, ist die Beschleunigung von Entscheidungen. Dies soll durch die größere Entscheidungsmacht der Teams und die Abschaffung von hierarchischen Entscheidungsketten erreicht werden. Aber nur wenn Einigkeit über die Spielräume herrscht, kann der Entscheidungsprozess beschleunigt werden. Ansonsten kommt es, insbesondere in unerfahrenen Teams, vor, dass Entscheidungen aus Unsicherheit verschoben oder nicht getroffen werden. Somit würden wir genau das Gegenteil von dem erreichen, wo wir eigentlich mit der Agilität hinwollen.

7 Level of Delegation geben Orientierung

Um genau diese Einigkeit und Klarheit zu schaffen, ist Delegation Poker eine hilfreiche Methode. Es eröffnet auf spielerische Art und Weise die Diskussion über Delegationslevel und bringt Transparenz in Entscheidungsprozesse. Außerdem liegt hier der klare Fokus die Delegationslevel gemeinsam festzulegen.

Im Rahmen des „Delegation Poker“ gibt es 7 Level der Delegation. Das Besondere ist hierbei, dass wir nicht entscheiden „machst du es oder mache ich es?“. Vielmehr geht es um den Grad des Einbeziehens des Teams bzw. der Führungskraft in die Entscheidung. Dabei stecken sich die Level von einem hierarchischen “Ich sage wo es lang geht” bis zur vollständigen Delegation der Entscheidung an das Team.

7 Levels of Delegation

  1. Tell (Verkünden)
    Ich entscheide und teile euch die Entscheidung mit.
  2. Sell (Verkaufen)
    Ich überzeuge euch von meiner Entscheidung.
  3. Consult (Befragen)
    Ich hole euren Rat ein, bevor ich entscheide.
  4. Agree (Einigen)
    Wir finden einen Konsens.
  5. Advise (Beraten)
    Ich berate euch, aber ihr entscheidet selbst.
  6. Inquire (Erkundigen)
    Ich erkundige mich nach eurer Entscheidung.
  7. Delegate (Delegieren)
    Ich delegiere die Entscheidung komplett an euch.

Das Poker Spiel – Vorbereitung

In Vorbereitung des „Delegation Poker“ ist es sinnvoll einige Fälle aus der Praxis vorzubereiten, bei denen Entscheidungen getroffen werden müssen. Zudem sollten allen die 7 Level bekannt sein. Es ist außerdem sinnvoll, diese während des Spiels sichtbar aufzuhängen oder auszulegen. Jedes Teammitglied erhält ein Set Delegation Poker Karten auf denen die 7 Level abgebildet sind.

Das Poker Spiel – Durchführung

Es haben sich über die Zeit einige Varianten des Spiels etabliert, die hier vorgestellte ist nur ein Beispiel.

Das Team spielt mehrere Runden. In jeder Runde nimmt ein Teammitglieder einen der vorbereiteten Fälle und liest diesen dem Team vor. Daraufhin entscheidet jede*r geheim für sich, welches Delegationslevel passend wäre. Sobald alle eine Wahl getroffen haben, decken alle ihre Karten auf. Wie auch beim Planning Poker, erklären diejenigen mit der höchsten und niedrigsten Wahl ihre Entscheidung. Alle Beteiligten treten so in den Austausch. Dieses Vorgehen wird so lange wiederholt, bis Einigkeit herrscht. Die gefundenen Konsense werden direkt dokumentiert. Dieses Vorgehen wiederholt das Team für alle mitgebrachten Fälle. Kommen im Verlauf weitere hinzu, werden diese nach demselben Schema abgehandelt.

Das Delegation Board als Ergebnis

Am Ende des Delegation Poker, hat das Team einen Überblick über unterschiedliche Delegation Level erarbeitet – ein sogenanntes Delegation Board. Es ist es hilfreich dieses Ergebnis übersichtlich darzustellen und z.B. im Projektraum aufzuhängen. So ist es für alle sich im Alltag sichtbar und es fällt leicht, sich wieder daran zu erinnern.

Ein Beispiel aus der Praxis

Die Ausgestaltung der Delegationslevel ist natürlich sehr individuell. Für ein Projekt könnten die Delegation Level zwischen dem Projektteam und dem Sponsor wie folgt aussehen:

In diesem Beispiel aus der Praxis hat das Team beispielsweise die Freiheit, komplett selbstständig neue Backlog Items einzubringen und somit zu entscheiden, was inhaltlich getan werden muss. Auf der anderen Seite geschieht die Priorisierung in Abstimmung und Einigkeit zwischen Projekt Sponsor und Team. Über die Besetzung des Teams fällen beide Parteien eine Konsensentscheidung. In Bezug auf das Projektbudget hat der Sponsor sogar nur eine beratende Rolle gegenüber dem Team. Über die Arbeitsmethode entscheidet das Team sehr autark. Im Hinblick auf Kommunikation zeigen sich in diesem Beispiel unterschiedliche Delegationslevel. Wenn an alle Mitarbeiter*innen kommuniziert wird, muss über den Inhalt ein Konsens geschlossen sein. Wird hingegen an den Vorstand kommuniziert, holt sich die Führungskraft den Rat des Teams ein.