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Digitales oder remote Recruiting stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen. Man kann schlicht die Fragezeichen in den Augen sehen. Wie sieht digitales Recruiting aus? Kann man jemanden einstellen, den man vorher noch nie gesehen hat?

Wir bei nativDigital haben uns genau diese Fragen gestellt. Voller Vorfreude haben wir Anfang des Jahres beschlossen unser Team zu vergrößern. Das war ein besonderer Moment für uns. In den letzten Jahren haben wir fest in unserer bestehenden Teamkonstellation gearbeitet. Nun wollen wir das erste Mal wachsen.

Nach der Ausschreibung der Stelle haben uns erste Bewerbungen erreicht. Dass dann doch alles anders kommt als geplant, konnten wir nicht ahnen. Durch die Veränderung der Rahmenbedingungen, bedingt durch den Covid-19 Ausbruch, mussten wir unser Recruiting komplett umkrempeln. Dabei haben wir viel gelernt und möchten mit euch unser Vorgehen im digitalen Recruitingprozess teilen.

Von analog zu digital – unser bisheriger Recruitingprozess

Ablauf

Das Gespräch findet in unserem Büro statt. Zwei Teammitglieder von nativDigital nehmen an dem Gespräch teil. Das gliedert sich in 4 Bereiche – ein gemeinsames Kennenlernen, eine detaillierte Übersicht der Stelle und der Aufgaben, fachliche und allgemeine Fragen sowie ein einen Überblick über die Arbeit bei nativDigital.

Ziel

Das persönliche Kennenlernen dient für einen finalen Abgleich beider Seiten, ob eine fachliche Eignung des Bewerbers für die Stelle gegeben ist. Vor allem dient es auch dazu herauszufinden, ob sich unser*e zukünftige Kolleg*in die Aufgaben vorstellen kann. Wir erleben die Person live und bekommen einen persönlichen Eindruck. Unser Büro kann gleich im Anschluss erkundet werden. Oftmals trifft man schon auf die potenzielle*n anderen Kolleg*innen.

Ablauf

Im Anschluss an ein gemeinsames Gespräch machen wir einen kurzen Spaziergang und gehen gemeinsam Mittagessen.

Ziel

Uns ist es wichtig, die Person, also den Menschen, kennenzulernen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Kontextwechsel vom Gespräch zum Essen die Stimmung enorm auflockert. Die erste Anpassung verfliegt spätestens nach dem Sparziergang – übrigens auf beiden Seiten! Das gemeinsame Essen bietet Raum für das persönliche Kennenlernen.

Ablauf

Wenn sowohl wir als auch die Bewerber*innen das erste Gespräch positiv bewerten, laden wir sie zu einem zweiten Treffen ein. Bei nativDigital haben wir regelmäßige Teamevents. Diese nutzen wir und laden die Bewerber*innen für ein weiteres Kennenlernen dazu ein. Das Teamevent besteht aus dem gemeinsamen Kochen und Essen sowie einer anschließenden Brown Bag Session.

Ziel

Uns ist es wichtig, dass es im Recruitingprozess ein Kennenlernen mit dem gesamten Team gibt. Sowohl für die Bewerber*innen als auch für unser Team, da wir die Entscheidung für eine Einstellung gemeinsam treffen. Das Teamevent mit dem gemeinsamen Kochen lockert die Stimmung und bietet Raum für persönliche Gespräche. Bei der Vorbereitung für das Essen gibt für jede*n etwas zu tun und das Team arbeitet Hand in Hand.

Unser digitales Recruiting – alles steht Kopf

Anfang März war klar für uns, dass wir unseren Recruitingprozess dieses Mal so nicht durchführen können. Mitte März war dies dann auch offiziell nicht mehr möglich. So haben wir schnell entscheiden müssen, wie wir weiter machen. Suchen wir weiter? Suchen wir später? Stellen wir den Recruitingprozess ein? Wenn wir weiter machen, wie kann das aussehen?

Wir haben uns dafür entschieden dran zu bleiben und unser Recruiting komplett digital zu gestalten.

Ablauf

Wir haben unsere Kennenlerngespräche über MS Teams abgebildet. Dazu haben wir die Bewerber*innen vorab eingeladen. Das Kennenlernen ist unserem bisherigen Ablauf gefolgt und zwei Teammitglieder von nativDigital haben daran teilgenommen.

Veränderung

Der Spaziergang und das gemeinsame Mittagsessen sind bei unserem digitalen Kennenlernen weggefallen. Diesen Part haben wir so gut es geht in den Rest des Gesprächs integriert. Dadurch sind unsere digitalen Gespräche länger geworden.

Ablauf

Nach einem positiven ersten Gespräch haben wir die Bewerber*innen zu einem Team Kennenlernen eingeladen. Dazu haben wir ebenfalls MS Teams genutzt. Bei dem Team Kennenlernen war für uns wichtig, dass die Bewerber*innen einen Eindruck unserer Teamdynamik und unserer Kultur bekommen. Es sollte kein zweites Bewerbungsgespräch – diesmal mit 5 Leuten – werden. Nach dem Team Kennenlernen gab es noch eine Büro-Tour.

Um die Atmosphäre unseres normalen Kennenlernens beim Teamevent nachzuempfinden, haben wir uns für ein gemeinsames Spiel entschieden. Das hat die Situation aufgelockert und uns automatisch ein Gesprächsthema geliefert. Der Umgang miteinander im Spiel spiegelt in unseren Augen die Kultur und die Teamdynamik sehr gut wider und gibt den Bewerber*innen einen authentischen Einblick. Entschieden haben wir uns für das Spiel „1 Wahrheit und 1 Lüge“. Jede*r erzählt zwei Aussagen über sich selbst. Eine davon ist wahr und die andere erfunden. Gemeinsam müssen die anderen erraten, welche Aussage nicht wahr ist. Darüber erfahren auch wir Neues über unsere Kolleg*innen und die Bewerber*innen lernen uns dadurch besser kennen.

 Veränderung

Unser Team Kennenlernen war im Vergleich zu unseren Teamevents deutlich kürzer. In der analogen Welt verbringen wir mehrere Stunden mit den Bewerber*innen. So haben alle die Chance auch Einzelgespräche zu führen. Dennoch war diese Form des Kennenlernens für alle Parteien sehr hilfreich.

Die Entscheidungsfindung

Die Entscheidung wen wir einstellen, treffen wir gemeinsam im Team. Sowohl im analogen als auch im digitalen Recruitingprozess. Nach dem Team Kennenlernen lassen wir bewusst ein paar Tage vergehen, sodass jede*r im Team seinen Eindruck festigen kann. Im Anschluss besprechen wir unsere Eindrücke aus den Gesprächen und treffen eine Entscheidung.

Die Erkenntnisse aus dem digitalen Recruiting

Jemanden einzustellen ist immer ein toller Moment. Ein neues Teammitglied verändert immer die Teamkultur, manchmal auch die Arbeitsweisen. Daher ist es umso wichtiger, die richtige Person zu finden.

Damit das Recruiting auch digital gut funktioniert, sind in unseren Augen folgende Aspekte wichtig:

  1. Technische Ausstattung

Digitales Recruiting setzt folgende Anforderungen voraus:

  • Geeignetes (externes) Mikrofon, z.B. Bluetooth-Telefonspinne
  • Kamera, entweder pro Teilnehmer*in eine Kamera oder eine Kamera, die alle Teilnehmer*innen erfasst
  • Gute Internetverbindung, sodass das Bild scharf ist und wenig Aussetzer in der Kommunikation passieren
  • Laptop, der an eine Stromzufuhr angeschlossen ist.
  1. Toolauswahl

Die Toolauswahl sollte für die Bewerber*innen so wenig Hindernisse wie möglich darstellen. D.h. eine notwendige Registrierung sollte möglichst vermieden werden. Tools wie MS Teams oder Google Hangout lassen das Einladen von Gästen ohne Registrierung zu.

  1. Hinweise zum Ablauf

Gespräche beim digitalen Recruiting starten nicht selten mit kleineren technischen Problemen, wie das Mikrofon, das noch stumm gestellt ist. Beide Parteien sollten sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Fazit digitales Recruiting

Wir haben festgestellt, dass das physische Treffen und das Erleben der Person in live einen großen Unterschied ausmachen. Diese Aspekte können durch ein reines digitales Recruiting nicht vollständig abgedeckt werden. Für uns war das digitale Recruiting in der aktuellen Situation dennoch ein großer Erfolg. Wir haben uns jedoch entschieden unseren bisherigen Weg beizubehalten. Wir freuen uns jetzt schon auf die kommenden Face-to-Face Gespräche.

Pia’s Eindrücke unseres digitalen Recruitings

Als ich mich zwei Tage vor dem ersten Gespräch Covid-19-bedingt in Quarantäne begeben musste und klar war, dass sich die Gesamtsituation nicht innerhalb weniger Wochen entspannen wird. Ich hatte mich gedanklich von der Stelle bei nativDigital verabschiedet. Das erste Gespräch war ursprünglich als Face-to-Face-Kennenlernen angesetzt und für mich war klar, dass kein Arbeitgeber jemanden einstellen würde, den er noch nie persönlich kennengelernt hat. Und auch ich hatte große Bedenken, ob ich unter diesen Umständen überhaupt eine Entscheidung treffen kann.

Die Atmosphäre in den Gesprächen ist ein entscheidungsrelevanter Aspekt für Bewerber*innen, da sich daraus Rückschlüsse über die Arbeitsatmosphäre im Unternehmen ziehen lassen. In einem virtuellen Gespräch entsteht die Atmosphäre, die ja auch bewusst vermittelt werden möchte, aber nicht so einfach, wie in einem Face-to-Face-Gespräch.

in dem ich mir anhand der Atmosphäre meinen ersten Eindruck bilde und klar wird, wie das Gespräch selbst ablaufen wird. Dieser Moment fällt beim digitalen Recruiting weg, weshalb es mir bei nativDigital sehr geholfen hat, dass zu Beginn der Gespräche der Ablauf und die Ziele sehr klar dargestellt wurde und die Atmosphäre, die ich sonst von selbst aufnehmen würde, aktiv und bewusst geschaffen wurde. Das anfängliche Plaudern, bevor das eigentliche Kennenlernen beginnt, bekam so eine noch viel größere Bedeutung. Die Umstellung vom analogen zum digitalen Recruiting ist für beide Seiten neu. Mir, und der Atmosphäre, hat es sehr geholfen, dass dies auch seitens nativDigital betont wurde und der neuen Situation flexibel und mit der passenden Dosis Humor begegnet wurde.

Als Bewerber*in ist man vor einem Gespräch ohnehin schon nervös. Da ist es nicht hilfreich, wenn das im digitalen Recruiting genutzte Tool eine weitere Hürde darstellt. Das in meinem Fall verwendete Tool MS Teams eignet sich sehr gut, da der Zugang als Gast einfach ist und die Gesprächsqualität hoch ist. Sicherlich kann es auf beiden Seiten immer mal zu technischen Problemen kommen. Das sollte, auch im Sinne der Atmosphäre, akzeptiert und eingeplant werden.

Selbstverständlich möchten Bewerber*innen wissen, in welchen Räumlichkeiten sie später arbeiten werden und wie die technische Ausstattung aussieht. Auch davon kann man sich in einem Gespräch vor Ort automatisch ein Bild machen, sodass diesem Punkt im analogen Recruiting oft nur eine untergeordnete Rolle zukommt. Die virtuelle Büro-Tour ist für mich daher ein „Must-have“ beim digitalen Recruiting, ergänzt durch Informationen über die Ausstattung, die Mitarbeiter*innen erhalten.

Auch der Recruitingprozess hilft Bewerber*innen maßgeblich dabei, sich ein Bild von dem Unternehmen zu machen. Deshalb war es für mich neben dem Ablauf des digitalen Prozesses auch wichtig zu erfahren, wie der normale, analoge Prozess ausgesehen hätte. Bei nativDigital wird neben der fachlichen Eignung auch viel Wert daraufgelegt, die Bewerber*innen als Menschen kennenzulernen. Das ist für mich eine wichtige Information und wurde umso deutlicher, als mir mitgeteilt wurde, dass das zweite Gespräch normalerweise in Form eines gemeinsamen Kochabends stattgefunden hätte.

Der digitale Recruitingprozess – ein Kompromiss

Für das erste Kennenlernen macht es für mich als Bewerberin zwar einen großen Unterschied, ob das Gespräch remote oder face-to-face stattfindet, trotzdem ist die remote Situation aber nicht grundlegend neu. Viele Unternehmen führen dieses Gespräch auch unter normalen Gegebenheiten auf diese Weise durch. Daher war das erste Kennenlernen für mich nicht komisch oder ungewohnt. Ich habe aber auch gemerkt, dass das Gespräch seitens nativDigital sehr gut vorbereitet wurde, um eine möglichst normale Situation zu schaffen.

Die weiteren Gespräche sind dagegen digital deutlich schwieriger abzubilden. Nicht zuletzt, weil sich beide Seiten spätestens hier in der Regel auf Neuland begeben. Für mich ist bei der Wahl meines Jobs das Team ein sehr wichtiger Faktor. Das Kennenlernen von potenziellen neuen Kolleg*innen ist virtuell natürlich erschwert. Die Interaktion in der Gruppe verläuft anders und es ist schwierig ein lockeres, spontanes Gespräch aufkommen zu lassen. Außerdem finden auf diese Weise auch keine Einzelgespräche statt.

Deshalb war für mich das digitale zweite Gespräch auch nur ein Kompromiss – aber, vor allem durch das Spiel, ein guter. „1 Wahrheit und 1 Lüge“ animiert jede*n dazu, etwas Persönliches über sich zu erzählen und beugt der Situation vor, dass die Unterhaltung einseitig verläuft. Dabei finde ich es wichtig, eine Story aus seinem Leben zu wählen, die auf die Persönlichkeit oder Interessen schließen lässt. Obwohl das Spiel gut gewählt war, hätte ich mir noch mehr Gelegenheit gewünscht, das Team kennenzulernen. Mein Verbesserungsvorschlag deshalb: Einzelgespräche oder, bei größeren Teams, Gespräche in 3-er Gruppen integrieren. Diese verlaufen natürlicher und ungezwungener als virtuelle Gruppengespräche, sodass das gegenseitige Kennenlernen einfacher ist. Außerdem sollte insgesamt mehr Zeit für die Gespräche eingeplant werden, da es virtuell deutlich schwieriger ist, sich ein Bild von seinem Gegenüber und der Teamdynamik zu machen.

Mein Fazit zum digitalen Recruiting

Ein rein digitaler Recruitingprozess stellt aus meiner Erfahrung auch für Bewerber*innen eine Herausforderung dar und führt sicherlich nicht dazu, weniger nervös und authentischer zu sein. Während sich für mich in der Vorbereitung auf die Gespräche nicht viel geändert hat, halte ich es aber für sehr wichtig, dass das Unternehmen die Umstellung des Recruitingprozesses gut und überlegt vorbereitet. Es sollte sich die Frage gestellt werden, wie beide Seiten die entscheidungsrelevanten Aspekte in Erfahrung bringen können und die entsprechende Gesprächsatmosphäre aktiv geschaffen werden kann. Mein Eindruck ist, dass das bei nativDigital stattgefunden hat, sodass für mich die Gespräche auch remote angenehm waren und ich durch die unterschiedlichen Gesprächsformate die Möglichkeit bekam, mir ein Bild zu machen. Meine anfänglichen Bedenken, „blind“ einen Arbeitsvertrag einzugehen, konnten mir dadurch größtenteils genommen werden.

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