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Holacracy ist eine Management Methode aus dem Bereich New Work, die starre Strukturen und Hierarchien im Unternehmen abschafft. Holacracy verteilt Verantwortlichkeiten mit dem Ziel mehr Transparenz und selbstbestimmtes, autonomes Arbeiten zu ermöglichen. Das Modell wurde 2007 von Brian Robertson, Gründer von Ternary Software, entwickelt. Er suchte nach einer Organisationsform, in der jede*r Mitarbeiter*in das volle Wissen und Potential einbringt und die Möglichkeit hat, Herausforderungen und Ideen selbstständig anzugehen. Aus dieser Idee entwickelte sich das Holacracy Modell in seinem Unternehmen.

Was ist Holacracy?

Der Begriff Holacracy setzt sich aus dem Begriff „Holon“ und „Holarchie“ zusammen. „Holon“ bedeutet ein Ganzes, das Teil eines Größeren ist. „Holarchie“ ist die Verbindung zwischen Holons. Holacracy bedeutet die Führung (-kratie) von und durch die Holarchie des Unternehmens (hola-).

Holacracy basiert auf der Holacracy Constitution, in der alle Regeln und Prozesse für die Governance und die operativen Vorgänge im Unternehmen festgehalten sind. Diese ist als Verfassung eines Unternehmens anzusehen. Die Einführung geht mit vier großen Veränderungen gegenüber dem klassischen Organisationsmodell einher:

Der Purpose gibt ein gemeinsames Ziel

Das Holacracy Modell ermöglicht allen Mitarbeiter*innen selbstbestimmtes und autonomes Arbeiten, verlangt aber gleichzeitig Motivation und Committent. Den Mitarbeiter*innen muss einerseits ermöglicht werden, die eigenen Ziele zu verfolgen. Andererseits muss für das selbstbestimmte Arbeiten aber auch ein Rahmen geschaffen werden, der die Funktionsfähigkeit der Organisation sicherstellt. Deshalb bestimmen die Mitarbeiter*innen des Unternehmens ein gemeinsames Ziel und den Zweck der Unternehmung. Der Purpose spiegelt die intrinsische Motivation der Mitarbeiter*innen wider. Er sollte zu ihren Werten und Interessen passen und ihnen Raum für Spaß und Entfaltung bieten. Die Gewinnmaximierung ist zweitrangig. Beispielsweise besteht der Purpose von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit oft darin, Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen anstatt den Haupt-Fokus auf Gewinnmaximierung zu setzen. Ein gemeinsamer Purpose wirkt sich motivierend auf die Personen aus, die ihn teilen. Gleichzeitig verdeutlicht er den Rahmen, in dem sich das Unternehmen bewegt.

Personen haben Rollen statt Positionen

Statt Aufgaben in klassischen Stellenbeschreibungen zu beschreiben, werden im Holacracy Modell dynamische Rollen definiert. Jede Rollenbeschreibung hält den Purpose bzw. den Zweck der Rolle sowie Verantwortungsbereiche (Domänen) und Verantwortlichkeiten fest. Zu Beginn umfasst eine Rolle häufig nur wenige Verantwortlichkeiten und entwickelt sich mit der Zeit weiter. Der wesentliche Unterschied zu einer Stellenbeschreibung ist, dass sich eine Rolle flexibel und je nach Bedarf im Unternehmen ändern kann. Jede*r Mitarbeiter*in arbeitet im Rahmen einer Rolle selbstverantwortlich und selbstbestimmt. Eine Person kann mehrere Rollen besetzen. Ebenso kann eine Rolle von mehreren Personen ausgeübt werden, solange die Verantwortlichkeiten klar voneinander abgegrenzt sind.

Rollen organisieren sich in Kreisen

In einer Holacracy Organisation organisieren sich Rollen in Kreisen. Diese Kreise haben einen bestimmten Zweck. Die Rollen, die sich dem Zweck eines Kreises beitragen, gehören zu diesem Kreis. Eine Person kann dabei zu mehreren Kreisen gehören, wenn sie mehrere Rollen besetzt.

Aus einem bestehenden Kreis kann ein neuer Kreis gebildet werden. Das geschieht zum Beispiel, wenn einige Rollen des Kreises sinnvollerweise in einem separaten Kreis organisiert und von den anderen Rollen des bisherigen Kreises abgegrenzt werden können. Der neue und der alte Kreis werden dann zu Sub-Kreisen eines übergeordneten Super-Kreises. Der Super-Kreis dient dazu, die Verbindungen zwischen den Sub-Kreisen zu organisieren. Das kann dann wie folgt aussehen:

Holacracy Ansatz Kreise

In jedem Kreis gibt es im Holocracy Modell feste Rollen, die den Kreis organisieren:

Diese Rollen werden von Mitgliedern eines Kreises übernommen, die auch andere, projektbezogene Rollen innehaben.

Governance gibt den Rahmen

Über den kollektiven “Governance-Prozess” geben sich die Kreise gemeinsam Regeln und definieren oder ändern Rollen, wenn nötig. Kern der Governance ist in einer Holacracy Organisation ein integrativer Entscheidungsprozess, der auf Vorschlägen und Einwänden basiert.

Für die Governance Meetings gibt es keine feste Agenda. Zu Beginn können Mitarbeiter*innen einen Vorschlag in Bezug auf Probleme, Ideen, o.ä. machen. Anschließend bekommt jede*r Teilnehmer*in die Möglichkeit Fragen zu stellen und Reaktionen zu teilen. Die Person, die einen Vorschlag eingebracht hat, kann diesen während des Meetings auf Basis der Fragen und Reaktionen verändern und die Änderungen erläutern. Im Anschluss können noch einmal schwerwiegende Einwände gegen den ggf. angepassten Vorschlag geäußert werden. Ein schwerwiegender Einwand liegt z.B. dann vor, wenn der Vorschlag den Aufgabenbereich anderer Rollen beeinflusst oder negativ für die Unternehmung wäre. Gibt es keine Einwände, wird der Vorschlag angenommen und kann integriert werden. Äußert eine Person einen Einwand, wird weiter diskutiert. Wie diese Art von Entscheidungsfindung aussieht, erfahrt ihr in unserem Blogbeitrag zum Thema Konsent.

Operativer Prozess

Im Holacracy Modell gibt es nicht die klassische Rolle der Führungskraft, die Entscheidungen trifft, Aufgaben priorisiert und zuweist. Diese Autorität liegt in den Rollen. Daher gibt es Regeln für die operative Zusammenarbeit in den Kreisen. Dabei ist Transparenz besonders wichtig. Jede*r Mitarbeiter*in entscheidet selbstständig im Rahmen der Rolle(n) und ist darauf angewiesen, über alle wichtigen Informationen zu verfügen.

Jede Person sollte deshalb aktuelle Projekte, nächste Schritte und deren Priorisierung mit den anderen Mitgliedern des Kreises teilen. Dazu gehört auch die Abgabe einer unverbindliche Vorhersage darüber, wann Projekte und Aufgaben abgeschlossen sein werden. Wichtige Kennzahlen kommuniziert man dann, wenn man Aufgaben abschließt. Mitarbeiter*innen können Kolleg*innen auffordern, Aufgaben zu übernehmen oder bei Projekten zu unterstützen. Diese Aufforderung darf gemäß des Governance Prozesses nur mit einem begründeten Einwand ablehnt werden. Außerdem sind die Bedürfnisse eines Kreises sowie Kreis Meetings immer über individuellen Prioritäten zu stellen. Raum für die Umsetzung dieser Regeln bieten unter anderem sogenannte Tactical Meetings.

Vor- und Nachteile des Holacracy Ansatzes

Der Holacracy Ansatz bietet eine gute Möglichkeit, um mehr Transparenz, Flexibilität und Gleichstellung im Unternehmen herzustellen. Besonders für Mitarbeiter*innen, die als Unternehmer*innen im Unternehmen arbeiten und eigenständig Entscheidungen treffen möchten, kann Holacracy einen großen Mehrwert erzeugen. Die gemeinsame Formulierung des Unternehmens-Purpose und das Herunterbrechen dieses Ziels in Aufgaben kann zudem für mehr Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen sorgen und zu effizienterem, zielorientiertem Arbeiten führen. Durch die Rollen ist klar abgegrenzt, wer welche Aufgaben übernimmt und welche Entscheidungen trifft.

Allerdings bringt das Holacracy Modell im Vergleich zu einem klassischen Organisationsmodell viele neue Regeln mit sich. Wer die Holacracy Constitution liest, kann schnell den Überblick verlieren. Die Hürde zum selbstbestimmten Arbeiten ist durch den damit verbundenen Aufwand erstmal groß. Das Risiko durch die Einführung von Holacracy viele Mitarbeiter*innen zu verlieren, solltet ihr nicht vernachlässigen. Nicht jeder kann und will selbstbestimmt und selbstverantwortlich arbeiten. Erfahrungsgemäß verlassen auch viele Führungskräfte das Unternehmen, denn sie verlieren nicht nur ihre Stellung und Verantwortung, sondern müssen in der Regel auch finanziell große Abstriche machen.

Holacracy – eine große Umstellung, die ihr gut begleiten solltet

Holacracy bedeutet insgesamt eine weitreichende Veränderung der Unternehmenskultur, bei der ihr eure Mitarbeiter*innen auf jeden Fall mitnehmen solltet. Außerdem empfehlen wir euch im Zuge der Einführung von Holacracy ergänzend weitere Ansätze aus dem New Work Bereich in Erwägung zu ziehen. Dort findet ihr viele weitere Motivatoren, die der Holacracy Ansatz nicht berücksichtigt, wie z.B. zeitlich und örtlich flexibles Arbeiten. Außerdem könnt ihr die neue Art der Zusammenarbeit mit Methoden und Tools zur Kommunikation und agilen Arbeitsstrukturierung unterstützen.

In unseren Augen solltet ihr die Einführung von Holacracy aber kritisch hinterfragen: der Kern des Modells ist gut, die Umsetzung aber starr, da das Regelwerk komplex ist. Der Ansatz, Prozesse und Vorgehensweisen in einer Verfassung festzuhalten, ist aus unserer Sicht praxisfern. Die ursprüngliche Motivation, den Mitarbeiter*innen mehr Selbstbestimmung, Verantwortung und Sinnhaftigkeit bei der Arbeit einzuräumen, finden wir allerdings sehr gut und wichtig. Außerdem schlägt Holacracy mit dem Governance Prozess und der Integrativen Entscheidungsfindung einen guten Ansatz für das treffen von Entscheidungen im Team vor. Es kann unserer Meinung nach also sehr sinnvoll sein Teile des Modells zu übernehmen. Diese solltet ihr aber mit anderen agilen Organisationsansätzen kombinieren.