Die meisten Unternehmen tendieren dazu neue Regel zu kreieren, wenn etwas schief geht. Ob in Form einer zusätzlichen Freigabe, eines zusätzlichen Review Schrittes in einem Prozess oder gar in einem zusätzlichen Regeltermin – im Laufe der Zeit kommt es bei der Zusammenarbeit im Team dazu, dass der Überblick über sämtliche Regeln verloren geht. So kann es sein, dass manche Regeln oder Meetings gar nicht mehr gebraucht werden, andere können sogar widersprüchlich sein und verhindern, dass agile Arbeit in Teams möglich ist.
Da hilft nur eins: sich wieder auf das Wesentliche zu fokussieren und einfach mal wieder “dumme” Regeln abzuschaffen, um wieder agil Arbeiten zu können. Regeln haben grundsätzlich kein Ablaufdatum, weshalb es sinnvoll ist, sie regelmäßig zu hinterfragen. Dabei hilft die Methode “Kill a stupid rule!”.
Kill a stupid rule – Mit der Machete durch den Regeldschungel
Am besten funktioniert die Methodik, wenn möglichst viele unterschiedliche Perspektiven in die Diskussion einfließen.
Natürlich kann nicht jede Regel einfach abgeschafft werden. Daher ist es essenziell im Vorfeld klar zu definieren, welche Regel nicht veränderbar sind. Beispielweise können Regeln, die das geltende Recht abbilden, nicht einfach übergangen werden. Bei der Methode “Kill a stupid rule” geht es also insbesondere, um die selbst gemachten Regeln der Zusammenarbeit, die Regeln die sich aus der Team-/Unternehmenskultur ableiten und auch um Regeln, die sich über die Zeit entwickelt haben.
Vier einfache Schritte für mehr Durchblick im Regeldschungel:
- Brainstorming – Identifikation von Regeln
- Bewertung der Regeln
- Diskussion und Priorisierung
- Kill stupid rule(s)
Wie finde ich überflüssige Regeln?
Eröffnet das Brainstorming einfach mit der Frage: “Wenn du eine Regel ändern oder abschaffen könntest, um den Service für den Kunden zu verbessern, welche wäre das?”
Nun könnt ihr grundsätzlich die Diskussion laufen lassen. Dennoch sollte darauf geachtet werden, dass die Diskussion lösungsorientiert bleibt. Die Kombination mit Time-Boxing und einer Moderation durch den Scrum Master hilft dabei den Rahmen zu halten.
Folgende Leitfragen helfen die Diskussion voranzubringen:
Interne Sicht:
- Welche Abläufe und Regularien sind frustrierend?
- Gibt es Prozesse und Reportings, die, wenn sie abgeschafft werden würden, deinen Job einfacher machen?
- Welche Regeln verlangsamen dich oder halten dich davon ab dein Bestes zu geben?
- Was hat dich im letzten Sprint blockiert? Was hätte geholfen?
Externe Sicht:
- Was frustriert unsere Kund*innen regelmäßig an uns?
- Was macht es für unsere Kund*innen schwer mit uns zusammenzuarbeiten?
- Warum entscheiden sich unsere Kun*innen für unsere Konkurrenten anstatt für uns?
- Was wäre die eine Sache, die du sofort für unsere Kund*innen ändern würdest, wenn du könntest?
Dabei muss nicht zwangsläufig die Regel abgeschafft werden um die Zusammenarbeit im Team zu verbessern. Manchmal reicht es, wenn wir die Regel anpassen um wieder agil arbeiten zu können.
Wie finde ich den Weg durch Regeldschungel?
Im zweiten Schritt der Methode “Kill a stupid rule” geht es nun darum die genannten Regeln zu clustern und zu bewerten. Hier gibt es zahlreiche Methoden. Eine Möglichkeit ist die Einordnung in eine 2×2 Matrix. Folgende Grafik zeigt die Matrix beispielhaft:
Wichtig ist, keine Regel auszuschließen und offen zu sein für jede Diskussion, die aufkommt. Das Clustering hilft nun beim weiteren Vorgehen und der Priorisierung. Normalerweise redet man nicht so oft über Regeln, die man abschaffen könnte. Daher ergeben sich oftmals Veränderungen, die sich vergleichsweise einfach umsetzen lassen. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass viele Vorschläge aus der Diskussion sogar im oberen rechten Quadranten landen (blauer Bereich). Das Gute daran ist, dass dort auch die Quick Wins zu finden sind.
Warum sollte welche Regel angepasst werden?
Diskutiert nun die Ergebnisse. Dabei sollen nun die Teilnehmer erörtern, warum die Regeln angepasst oder abgeschafft werden sollten. In dieser Phase helfen euch folgende Leitfragen:
- Wo finden sich die meisten vorgeschlagenen Regeln?
- Gibt es Gemeinsamkeiten unter den Regeln? (Handelt es sich um Meetings? Sind es Regeln vor allem in einem Bereich?)
- Falls die meisten Regeln im Quick Win – Bereich sind: Warum sind wir noch nicht in vorherigen Retros darauf gestoßen? Sollten wir unsere Retros diesbezüglich anpassen?
- Welche Regeln lassen sich sofort abschaffen?
- Welche Regeln lassen sich sofort anpassen?
Kill a stupid rule?
Jetzt geht es ans Eingemachte! Priorisiert die gefundenen Regeln. Verteilt dazu einfach bis zu 5 Klebepunkte an die Teammitglieder und führt das Voting durch. Sollte euch das Abschaffen einer Regel schwer fallen, dann vereinbart zunächst eine temporäre Abschaffung für wenige Wochen oder Monate. Sollte euch die Regel dann bei der Zusammenarbeit im Team nicht fehlen, schafft ihr sie permanent ab.
In der Diskussion können euch folgende Fragen helfen:
- Was hält uns davon ab diese Regel zu eliminieren?
- Was können wir alternativ unternehmen, um die Regel abzuändern?
- Ist es sinnvoll diese Methode häufiger durchzuführen?
- Was können wir unternehmen, um unnötige Regeln zu vermeiden?
Was bedeutet das Ergebnis ?
Die Methode „Kill a stupid rule“ hilft uns, unsere Prozesse und Vorgehensweisen zu hinterfragen. Toller Nebeneffekt von weniger Regeln: mehr Zeit für kundenzentriertes Arbeiten und mehr Agilität bei der Arbeit! Da sich insbesondere bei langen Projekten einige Regeln einschleichen, lässt sich diese Methode auch gut in der Retrospektive anwenden. Allerdings sollte man sie nicht in jeder Retro anwenden.
Unsere Best Practices
Die Umsetzung der Methode erfordert ein hohes Vertrauen im Team. Wir müssen uns trauen die Dinge anzusprechen, die uns wirklich blockieren. Das schaffen wir nur, wenn wir eine Kultur haben, die das zulässt. Hilfreich ist es, die Diskussion einfach laufen zu lassen. Die Diskussion ist dabei oftmals wertvoller als das eigentliche Abschaffen einer Regel und kann bereits das agile Arbeiten positiv beeinflussen.