Im fortschreitenden Innovationsprozess lauert die Gefahr, in der eigenen Innovations-Blase festzustecken und das bestehende Produkt negativ zu beeinflussen. Daher bieten sich spezielle Innovationsmethoden an, um den aktuellen Stand der Entwicklung kritisch zu hinterfragen. Besonders die „Kill Your Company (Service, Product)“ – Methode ist an dieser Stelle hervorzuheben. Diese hat das Ziel, innerhalb eines Gedankenspiels, dem eigenen Produkt den größtmöglichen Schaden zuzufügen.
Die Ergebnisse nutzen wir, um unser Produkt effizient zu verbessern. Außerdem bietet die Methode die Möglichkeit, neue und bestehende Geschäftsmodelle in kurzer Zeit zu pilotieren.
Vorgehensweise „Kill Your Company“
Schwachstellen identifizieren
Wir suchen gezielt nach Schwachstellen unseres Produkts oder unserer Dienstleistung. Worüber beschweren sich unsere Kunden? Was waren die kritischsten Fragen während explorativer Interviews? Wo hat unser Prototyp enttäuscht?
Es ist wichtig diesen Schritt wertneutral und sachlich zu führen, da alle Verantwortlichen dieser möglichen Stolpersteine der Entwicklung innerhalb dieser Methode mit einbezogen werden müssen. Dabei bietet es sich in diesem Zusammenhang an, den spielerischen Charakter der Methode explizit zu erläutern und die Teilnehmer*innen zu ermutigen, etwas zu übertreiben, um den realen Bezug nur unterschwellig mit einfließen zu lassen. Es heißt ja schließlich „Kill Your Company“ und nicht „Kitzel Your Business“.
Eine innovative Methode, diese Schwachstellen zu identifizieren, ist die Pre-Mortem Methode. Hier können alle Teilnehmer*innen eines Workshops eine fiktive Geschichte schreiben. Diese Geschichte spielt am heutigen Tag in einem Jahr und beschreibt das Scheitern des Produkts. Wie konnte es dazu kommen? Was waren mögliche Einflussfaktoren?
Priorisieren
Wir priorisieren die gefunden Schwachstellen. Welche der aufgefallenen Punkte bietet das größte Verbesserungspotenzial? Wo wird die größte Schwachstelle offenbart? Hier ist es hilfreich, wenn wir bereits konkretes Kundenfeedback gesammelt haben, mit dem wir arbeiten können. Selbst wenn dieses Feedback noch aussteht können wir uns durch hineinversetzen in unsere Personas die potenziellen Hauptkritikpunkte herleiten.
Killer-Produkt entwerfen
Wir designen aus den gefundenen Schwachstellen nach Priorität ein Konkurrenzprodukt. Ein Produkt, welches perfekt auf unsere Persona zugeschnitten ist. Hier können wir weitere Innovationsmethoden zur Ideengenerierung nutzen, wie zum Beispiel die 6-3-5 – Methode. Dieses Produkt wird innerhalb kürzester Zeit prototypisiert (zum Beispiel mittels einer Skizze).
Einige Teilnehmer*innen werden anmerken, dass dieses Konkurrenzprodukt aufgrund von technischen Schwierigkeiten oder Marktbarrieren nicht umsetzbar sei. Da es sich jedoch um ein Idealprodukt handelt, sollte eine gewisse Realitätsnähe vorhanden, jedoch nicht ausschlaggebend sein.
Erkenntnisse übertragen
Wir analysieren den neuen Prototypen. Was kann dieser Prototyp besser als unser bisheriges Produkt? Wo erfüllt er einen höheren Kund*innennutzen? Wir probieren von dem designten Idealprodukt zu lernen. In der Praxis können wir oftmals unser Idealprodukt nicht vollständig umsetzten. Es gibt jedoch Komponenten oder Designelemente, mit denen wir unser Produkt oder unsere Dienstleistung verbessern können und somit dem „Tod unserer Unternehmung“ entgehen.
Einsatzmöglichkeiten von „Kill your Company“
Für diese vorgestellte Methode gibt es verschiedene Einsatzmöglichkeiten in unterschiedlichen Phasen und Reifegraden unseres Innovationsprozesses. Unter anderem bietet es sich innerhalb und außerhalb von klassischen Innovationsumgebungen in folgenden Bereichen oder zu folgendem Zweck an:
- Validierung oder Ergänzung eines bestehenden Produkts oder Dienstleistung
- Teil der Strategieentwicklung
- Innerhalb einer SWOT-Analyse
- Kritische externe Prüfung eines Produkts oder einer Dienstleitung
Auch kann als positiver Nebeneffekt ein Team an der Aufgabe wachsen. Das Team kann den kritischsten Fall virtuell planen und durchspielen, was das Wir-Gefühl und die Sicherheit im Auftreten steigern kann.
Vorteile und Nachteile
Die „Kill your Company”-Methode hat einige simple Vorteile. Sie ist intuitiv verständlich und ohne großen organisatorischen oder materiellen Aufwand durchführbar. Sie zeigt schnell und eindeutig die Schwachstellen des Produkts oder der Dienstleistung auf und bezieht direkt die Lessons Learned in den weiteren Innovationsprozess mit ein. Der spielerische und „zerstörerische“ Ansatz macht Spaß und sorgt für ein positives Teamgefühl, wenn man diese Aufgabe gemeinsam meistert.
Jedoch gibt es auch einige Nachteile, die nicht außen vor bleiben sollen. Nachdem die Methode umgesetzt, neigen die Teilnehmer*innen dazu sehr sicher zu sein. Es besteht die Gefahr einer Einstellung, die suggeriert, jegliche Gefahr gebannt zu haben. Dass dies nicht stimmt, wird spätestens bei erneuter Durchführung der Methode in einem weiteren Innovationszyklus deutlich. Weiterhin bleibt ein Risiko der völligen Übertreibung. Natürlich sollen Worst-Case Szenarien durchgespielt werden, nichtsdestotrotz hat das Ergebnis bei völligem Realitätsverlust keinen Wert. Hier ist es Aufgabe der Workshopleitung, einen angemessenen Rahmen zwischen Realität und Kreativität zu setzen.
Fazit
Als ein Teil von vielen Innovationsmethoden bietet sich die „Kill your Company“-Methode an, schnell und intuitiv die Schwachstellen des eigenen Produkts oder der Dienstleistung aufzudecken. Es ersetzt dabei kein vollständiges Risikomanagement, hat aber großes Potenzial den Innovationsprozess zu bereichern. Es bietet sich innerhalb des Design Thinking Prozess gut als Kick-Off einer neuen Phase oder innerhalb der Ideate-Phase, Feedback zu generieren und unser Produkt oder die Dienstleistung nachhaltig zu verbessern.