Wenn ihr unseren Blog regelmäßig lest, wisst ihr, dass New Work für uns weit mehr bedeutet als die Einführung neuer Methoden, Arbeitsweisen und Strukturen. Wir bei nativDigital versuchen die neue Arbeitswelt gesamtheitlich zu betrachten – mit dem Menschen im Mittelpunkt. Und wo Menschen zusammenarbeiten, sind Konflikte unausweichlich. Aus diesem Grund möchten wir euch in diesem Artikel die LEAF-Methode vorstellen: Eine Möglichkeit Konflikte im Arbeitsalltag effektiv und nachhaltig zu lösen.
Was ist die LEAF-Methode?
Konflikte am Arbeitsplatz können unser Bedürfnis nach psychologischer Sicherheit und unsere Beziehungen zu Kolleg*innen belasten. Zum einen liegt es daran, dass uns die Auseinandersetzung mit anderen Menschen viel Kraft kosten kann. Zum anderen aber auch daran, dass wir Konflikte per se als etwas Negatives betrachten. Sowohl in der alten Arbeitswelt als auch in unserem Bildungssystem wird zu wenig Platz eingeräumt zu lernen mit Konflikten umzugehen. In vielen Unternehmen gilt auch heute noch das Recht des*der Stärkeren: Konflikte werden oft nicht wirklich ausgetragen, geschweige denn konstruktiv und den Bedürfnissen unserer verschiedenen Persönlichkeitstypen angemessen gelöst.
Jeremy Pollack, Sozialpsychologe und Konfliktforscher aus Washington hat festgestellt, dass viele unserer Konflikte auf Missverständnissen und ungenügender Kommunikation beruhen. Er hat deshalb eine Methode entwickelt, die zur nachhaltigen Lösung akuter Konflikte beiträgt. Dabei werden die Konflikte nicht als Fehler angesehen, sondern als Potenzial für Verbesserungen im Unternehmen genutzt. Die sogenannte LEAF-Methode gibt euch vier einfache Schritte an die Hand, die Unstimmigkeiten durch gezieltes Zuhören und Einfühlen aufzulösen.

Wie genau funktioniert die LEAF-Methode?
Die LEAF-Methode besteht aus vier aufeinanderfolgenden Schritten: Zuhören, hineinversetzen, entschuldigen und Lösungen finden. Diese vier Schritte geben euch einen Plan an die Hand, wie ihr in akuten Konfliktsituationen bewusster auf euer Gegenüber eingeht. So räumt ihr nicht nur Missverständnisse aus dem Weg, sondern entwickelt Lösungen zum Beseitigen der Konflikte:
Zuhören: Wie kann ich meinem Gegenüber Raum geben?
Das eigentliche Problem vieler Konflikte besteht darin, dass sich die Beteiligten nicht wirklich zuhören. Dies kommt auch daher, dass wir uns in schwierigen Situationen schnell angegriffen fühlen und unsere natürlichen Verteidigungsmechanismen hochfahren: Je nach Persönlichkeitstyp versuchen wir den anderen zu übertönen oder ziehen uns zurück. Sobald ihr merkt, dass ein Konflikt entsteht, könnt ihr – so schwer euch das fallen mag – als allererstes eurem Gegenüber den Raum zum Sprechen geben und ihm*ihr aktiv zuhören. Dies bedeutet auch, Fragen zur Situation der anderen Person zu stellen, um Missverständnisse auszuräumen und zu wiederholen, was ihr verstanden habt. Vermutlich wird euer Gegenüber anschließend von sich aus auch euch den Raum geben, euren Standpunkt darzulegen. Falls nicht, bittet ihn oder sie explizit und in Ruhe darum. Mit diesem ersten Schritt könnt ihr die Situation bereits deutlich deeskalieren, da euer Gegenüber merkt, dass ihr ihm*ihr eure Aufmerksamkeit schenkt.
Einfühlen: Was bewegt mein Gegenüber eigentlich?
In einem Konflikt vergessen wir oft, dass unser Gegenüber häufig individuelle Beweggründe hat, die wir vielleicht nicht kennen. Gebt euch selbst also die Zeit zu reflektieren, was eurem Gegenüber in dieser Situation wirklich wichtig ist und warum er oder sie so reagiert. Überlegt euch auch, wie ihr euch in seiner oder ihrer Position verhalten würdet. Oft stecken hinter einem Konflikt nicht nur rationale Faktoren, sondern verletzte Gefühle oder unerfüllte Bedürfnisse. Ihr könnt eurem Gegenüber signalisieren, dass ihr seine*ihre Stimmung nachvollziehen könnt, selbst wenn ihr seinen*ihren Standpunkt noch nicht vollständig erfasst habt.
Entschuldigen: Was hat mein Gegenüber so aufgebracht?
Nun kommt ein essenzieller Schritt, der für viele von uns vielleicht der schwierigste ist: Bietet eurem Gegenüber eine ehrliche und ernst gemeinte Entschuldigung an. Dabei geht es gar nicht darum, wer den Konflikt vielleicht begonnen hat oder wer im Recht oder Unrecht ist. Wir können anderen Menschen jederzeit eine Entschuldigung aussprechen: Dafür, dass wir zunächst vielleicht nicht gut zugehört haben. Dass wir eine andere Sichtweise nicht akzeptieren wollten oder nicht gesehen haben. Dass, die Situation auch für die andere Person mit verletzten Gefühlen oder nicht erfüllten Bedürfnissen einherging, usw.
Lösungen finden: Welche Gemeinsamkeiten sehen wir?
Nachdem ihr in den ersten drei Schritten die Grundlage für ein gegenseitiges, wertschätzendes Verständnis gelegt habt, könnt ihr gemeinsam die Ursache des Konflikts klären. Überlegt euch gemeinsam, was ihr jeweils braucht, um diesen Konflikt beizulegen und das initiale Problem zu beheben. In der Regel geht es darum, einen Kompromiss zu finden, mit dem beide Seiten zufrieden sind. Versucht diesen durch ein offenes Gespräch zu finden und erinnert euch immer wieder an den Weg, den ihr gemeinsam in den ersten drei Schritten bereits gegangen seid.
Konkrete Tipps für die Umsetzung
Wie ihr vielleicht schon bemerkt habt, ist die LEAF-Methode eher ein loses Regelwerk. Wir möchten euch helfen, die einzelnen Schritte besser zu verstehen und umzusetzen. Deshalb haben wir an dieser Stelle noch ein paar praktische Tipps, die ihr in die Methode integrieren könnt:
Besonders im ersten Schritt der LEAF-Methode, dem Zuhören, wird euch zugutekommen, wenn ihr regelmäßig an eurer emotionalen Intelligenz arbeitet. Steigt zum Beispiel Wut oder Trauer in euch auf, so könnt ihr diese zunächst beobachten und eurem Gegenüber anschließend mitteilen. So könnt ihr einerseits eurem Gegenüber den Raum geben sich auszudrücken, ohne ihn oder sie auf Grund der eigenen Impulsivität zu unterbrechen, und andererseits eure eigenen Beweggründe besser verständlich machen.
Erinnert euch daran, dass euer Gegenüber vermutlich andere Bedürfnisse hat als ihr selbst und dass eure Erwartungshaltung an das Verhalten des*der anderen eure persönliche ist, die eventuell nicht erfüllt werden kann. Somit entkoppelt ihr eure eigene Erwartungshaltung von der Reaktion des*der anderen und könnt offener gegenüber anderen Sichtweisen und unerwarteten Ergebnissen bleiben.
Damit euch euer Gegenüber ehrlich mitteilen kann, was seine*ihre Motivationen und Beweggründe sind, müsst auch ihr selbst Verletzlichkeit zulassen. Die Kommunikation eurer persönlichen Herausforderungen und Bedürfnisse hilft anderen dabei besser zu verstehen, wie sie euch unterstützen können und schafft einen Raum, sich euch gegenüber zu öffnen. Fokussiert euch außerdem nicht so sehr darauf, was euch im Moment voneinander unterscheidet, sondern was euch verbindet, was euch beide motiviert oder euch beiden Angst macht.
Überlegt gemeinsam, ob ihr in der Vergangenheit genug Raum und Zeit hattet, Feedback und Bedürfnisse in eurer Zusammenarbeit zu reflektieren. Retrospektiven können euch dabei helfen nicht nur zu beleuchten, wie eure Zusammenarbeit in der Vergangenheit stattgefunden hat, sondern auch wie ihr in Zukunft zusammenarbeiten möchtet und was für euch absolute Dos und Dont‘s in eurer Zusammenarbeit .
Achtet darauf, wie ihr selbst mit anderen kommuniziert und wie ihr Feedback, Bedürfnisse und Veränderungswünsche wertfrei artikulieren könnt. Hierbei kann euch das Konzept der gewaltfreien Kommunikation ergänzend zur LEAF-Methode unterstützen. Sie gibt euch einen Leitfaden an die Hand, wie ihr in Konfliktsituationen ruhig und zielgerichtet mit euren Kolleg*innen kommunizieren könnt.
Was sind die Grenzen dieser Methode?
Wie schon beschrieben, ist die LEAF-Methode eher ein Framework, das euch den Rahmen gibt, um mit Konflikten im Arbeitsalltag umzugehen. Um Konflikte effektiv beilegen zu können, müssen die einzelnen Schritte der Methode aber vor allem verinnerlicht und geübt werden. Sprecht dieses Thema deshalb in eurem Unternehmen an und schafft den organisatorischen und psychologischen Rahmen, in dem sich jede*r entwickeln und diese Methode einsetzen kann.
Außerdem eignet sich die LEAF-Methode vor allem für akute Konflikte, die auf Missverständnissen im Arbeitsalltag beruhen. Sie erfordern die Bereitschaft der Konfliktparteien, den Streit auch wirklich schlichten zu wollen. Für Konflikte, die sich über einen langen Zeitraum verfestigt haben, eignet sich die LEAF-Methode eher weniger. In diesem Fall solltet ihr euch überlegen eine*n Mediator*in oder Konflikt-Coach zur Hilfe zu ziehen.
Fazit
Die LEAF-Methode bietet euch in vier Schritten einen guten Rahmen zur Konfliktlösung. Sie zeigt euch, wie ihr akute Konflikte, die zum Beispiel durch Stress oder Missverständnisse im Arbeitsalltag entstehen, beizulegen. Dazu zählt aktives Zuhören, empathisches Hineinversetzen in euer Gegenüber, eine ehrliche Entschuldigung und eine gemeinsame Lösungsfindung. Ihr könnt nicht nur die laufende Situation verbessern, sondern auch eure Beziehungen zur anderen Konfliktpartei verbessern.
Die LEAF-Methode erfordert dabei, dass ihr euch im Konfliktlösungsprozess nicht nur mit eurem Gegenüber, sondern auch mit euch selbst auseinandersetzt. Nur so versteht ihr wirklich, welche unerfüllten Bedürfnisse die Konfliktsituation ausgelöst haben.