Das Lean Coffee ist eine Methode, um Struktur in unstrukturierte Treffen zu bringen. Das Format wird genutzt, um produktive Treffen zu erzeugen, bei denen vorher aber keine Agenda festgelegt wird. Es handelt sich also um ein selbstorganisiertes Treffen, in dem die Teilnehmer*innen die Inhalte bestimmen. Es gibt weder eine Teilnahmepflicht noch ein vorab gesetztes Ziel, das bei der Veranstaltung erreicht werden soll. Lediglich ein zeitlicher Rahmen, ein Thema und das Vorgehen ist allen Teilnehmer*innen im vornherein bekannt.
Warum brauchen wir Lean Coffee?
In vielen Unternehmen werden Meetings von Mitarbeiter*innen als zeitaufwendig, meist unproduktiv und nicht immer zielführend angesehen. Die Liste der Kritikpunkte an klassischen Veranstaltungsformaten ist unendlich und die Begeisterung der Teilnehmer*innen an diesen hält sich meist in Grenzen. Insbesondere dann, wenn eine kreative Lösung auf ein Problem gefunden werden soll, stellt die mangelnde Stimulanz herkömmlicher Veranstaltungsformate ein Problem dar. Dann müssen neue, alternative Veranstaltungsformate her, die für frischen Wind, Motivation und Kreativität in Meetings sorgen. Ein solches Format, das wir gerne in der Praxis verwenden und euch ans Herz legen wollen, ist der sogenannte „Lean Coffee“.
Woher kommt das Lean Coffee Format?
Das „Lean Coffee“-Format wurde von den beiden amerikanischen Agile Coaches Jeremy Lightsmith und Jim Bensen 2009 erstmals in Seattle, USA, durchgeführt. Der Name verbindet die Prinzipien des „Lean Thinking“ mit einem informellen Austausch in einer ungezwungenen Coffee Shop Atmosphäre.
„Lean Thinking“ ist die gedankliche Übertragung und Anwendung der ursprünglich aus der (Automobil-)Produktion stammenden Lean-Prinzipien auf die Verwaltung und Organisation menschlicher und unternehmerischer Aktivitäten. Das Ziel von „Lean” ist es, Nutzen- und Wertstiftung für die Gesellschaft unter Vermeidung von Ressourcenverschwendung zu ermöglichen. Ein solcher Ansatz fördert außerdem individuelles Lernen, Eigenverantwortung und Wissensaustausch. Ein typisches Beispiel der Umsetzung des “Lean” Ansatzes im Unternehmenskontext ist z.B. die Lean Start-up Methode. Aber auch das Lean Coffee Modell spiegelt diesen Gedanken wider und ist dazu geeignet Neugierigen eine Plattform für individuellen Wissensaustausch zu verschiedenen Themenbereichen zu bieten.
Wie funktioniert Lean Coffee?
Ein Lean Coffee ist ein Veranstaltungsformat welches ,genau wie die klassischen Veranstaltungsformate auch, gewisse Rahmenbedingungen erfüllen muss:
Die Einladung
Auch beim Lean Coffee, müssen die Teilnehmer*innen eingeladen werden. Hierzu solltet ihr, wie bei anderen Veranstaltungen auch, in der Einladung Ort, Datum, Uhrzeit und Dauer der Veranstaltung angeben. Diese sollte mindestens zwischen 1 und 2 Stunden liegen, damit das Format die volle Wirkung entfalten kann und ihr nicht mitten im Thema abbrechen müsst. Idealerweise gebt ihr in eurer Einladung zum Lean Coffee auch einen Themenkomplex vor, zu dem der Austausch stattfinden soll. So können potenzielle Teilnehmer*innen beurteilen, ob sie Interesse an einem Austausch haben und an der Veranstaltung teilnehmen wollen.
Die Vorbereitung
Für den Lean Coffee braucht ihr entweder ein Flipchart, ein großes Plakat, oder eine Tafel, auf der ihr eine Tabelle vorbereitet. Bei dieser Tabelle handelt es sich im Grunde genommen um ein Kanbanboard. Dieses besteht beim Lean Coffee aus drei Spalten mit den Überschriften „zu diskutieren“, „in Diskussion“ und „diskutiert“.

Alternativ können die Spalten auch wie beim klassischen Kanbanboard „to do/neu“, „in Bearbeitung“ und „erledigt“ heißen. Wichtig ist, dass allen Teilnehmer*innen die genaue Bedeutung der Titel klar ist.
Die Moderation
Auch über die Moderation solltet ihr euch vorab Gedanken machen. Vielleicht möchtet ihr bei eurem Veranstaltungsformat alle Fäden in der Hand behalten. Dann ist es sinnvoll, jemandem aus dem Organisationsteam des Lean Coffees die Moderation zu übertragen. Somit könnt ihr sicher sein, dass das Thema, das ihr mit der Lean Coffee Methode erarbeiten wollt, auch wirklich erarbeitet wird. Wollt ihr lieber einen wirklich offenen Austausch initiieren, dann empfehlen wir auch einfach mal spontan die Moderation an eine*n beliebige*n Teilnehmer*in abzugeben, welche*r freiwillig Lust darauf hat. Das muss auch nicht zwangsläufig ein*e Teilnehmer*in mit Lean Coffee Erfahrung sein. Vorerfahrung ist in dem Fall gut, aber keine Voraussetzung. Plant also gegebenenfalls ein wenig Zeit zum Einführen des Moderators oder der Moderatorin am Anfang der Veranstaltung ein.
Im Rahmen der Durchführung des Lean Coffees, unterscheidet sich das alternative Veranstaltungsformat nun aber deutlich von herkömmlichen Formaten:
Fragen- und Themen sammeln (5-10 Minuten)
Die bei Veranstaltungsbeginn noch leere Agenda, soll nun mit Themen gefüllt werden. Hierzu gibt die Moderation den Teilnehmer*innen den Auftrag auf Moderationskarten oder Post-its ihre persönlichen Fragen zum Thema aufzuschreiben. Die so gesammelten Fragen werden dann untereinander und für alle Teilnehmer*innen sichtbar in eurem Board in der Spalte „zu diskutieren“ angebracht. Eine Begrenzung der Anzahl von Fragen pro Teilnehmer gibt es dabei nicht.
Priorisierung der Themen (10-15 Minuten)
Im nächsten Schritt der Lean Coffee Methode geht es um die Priorisierung der gesammelten Themen. Idealerweise erhält jede*r Fragensteller*in ein wenig Zeit, um in aller Kürze die Hintergründe der Frage zu erläutern, um so andere Teilnehmer*innen für das jeweilige Thema zu begeistern. Dann werden die Themen bewertet.
Hierzu könnt ihr verschiedene Bewertungsmethoden anwenden, beispielsweise die „Punkt-Bewertung“ oder „Dot-Voting“. Bei dieser Bewertung haben alle eine vorher festgelegte Anzahl an Stimmen („Punkte“). Diese vergeben alle Teilnehmer*innen an die Themen, für die sie sich interessieren. Eine individuelle Punktvergabe der Teilnehmer*innen kann von 5 Themen à 1 Punkt bis zu einem Thema à 5 Punkte variieren. So legt jede*r Teilnehmer*in die eigene Präferenzen fest. Dabei können auch Themen wegfallen, da sie keine (oder keine hohe) Prioritätsbewertung bekommen haben. Die Themen sortiert ihr dann entsprechend nach der Anzahl der gesamten Punkte auf dem Board, also der Agenda, neu. Das Thema mit den meisten Punkten wird als erstes diskutiert.
Bestimmung einer Timebox (5 Minuten)
Um einen zeitlichen Rahmen für die Themenpunkte auf der Agenda zu setzen, bestimmt die Gruppe eine einheitliche Timebox, also eine feste Zeitangabe. Diese kann von der Anzahl der Themen abhängig sein, wenn möglichst viele Themen während der Veranstaltung behandelt werden sollen. Ihr solltet aber mindestens 10 Minuten pro Thema einplanen. Fallen dadurch manche Themen von der Agenda, kann die Moderation diese nachhalten und gegebenenfalls einen Follow-up Termin zu einem neuen Lean Coffee Meeting vereinbaren. Wenn das vorher so besprochen wurde, dann kann es auch in der Verantwortung der Teilnehmer*innen liegen nicht besprochene Themenpunkte beim nächsten Treffen erneut zur Diskussion zu stellen.
Diskussionsbeginn
Nachdem die Agenda und die Timebox stehen kann es losgehen mit der Lean Coffee Methode. Die Moderation schiebt die erste Themenkarte in die Spalte „in Diskussion“ und die Diskussion zum ersten Thema beginnt. Dazu erläutert der*die Fragensteller*in den Hintergrund des Themas erneut kurz und suggeriert welches Ergebnis er oder sie erwartet.
Diskussion
Die Moderation ist für die Einhaltung der Timebox verantwortlich. Ist die vereinbarte Zeit abgelaufen, fragt sie die Teilnehmer*innen, ob sie das Thema weiter diskutiert wollen oder nicht. Die Abstimmung darüber kann einfach per Handzeichen oder mittels „Daumen-hoch“ bzw. „Daumen-runter“ erfolgen. Verebbt die Diskussion eines Themas schon vor Ablauf der Timebox, da bspw. ein gewünschtes Ergebnis erreicht ist, kann die Moderation auch zum nächsten Thema übergehen. Beschließen die Teilnehmer*innen jedoch, dass das Thema noch nicht ausreichend diskutiert wurde, kann es in die Verlängerung gehen. Hierfür könnt ihr entweder die gleiche Timebox oder eine halbe Timebox verwenden. Auch hier wird die Entscheidung durch die Mehrheit getroffen. Ist das Thema auch nach einer zweiten Runde nicht erschöpft, dann solltet ihr es lieber in einem unabhängigen Meeting weiter erörtern, damit ihr noch genügen Zeit für andere Themen habt.
Diskussionsende
Am Ende jeder Diskussion verschiebt die Moderation die Moderationskarte in die Spalte „diskutiert“ und eröffnet eine neue Diskussion zum nächsten Thema.
Was sind die Vorteile von Lean Coffee?
Da es bei Lean Coffee um den Austausch zu einem speziellen Thema geht, eignet sich die Methode auch als Austauschform innerhalb von Communities of Practice in Unternehmen. Der große Vorteil von Lean Coffee ist die Einfachheit des Formats. Es handelt sich um einen geringen organisatorischen Aufwand zur Vorbereitung und Durchführung. Durch das Format wird eine Diskussion auf Augenhöhe und ohne Hierarchien forciert. Meist wird eine Vielzahl relevanter Themen in einer eher kurzer Zeit besprochen. Eine Meetingstrecke mit einer Themendichte, die über mehrere Tage reichen würde, lässt sich so in einem Lean Coffee Termin vereinen. Dadurch gestaltet sich ein regelmäßiger Austausch im Lean Coffee Format auch meist ganz unkompliziert, da alle Teilnehmer*innen von der Effizienz des Austausches positiv überrascht sind und das motiviert allgemein hin weitere Termine wahrzunehmen.
Übrigens – Lean Coffee eignet sich auch in deinem remote Setup und lässt sich digital unkompliziert z.B. mit einem Teams-Call und einem Miro-Board umsetzen.
Fazit zur Lean Coffee Methode
In der Praxis hat sich gezeigt, dass für das Gelingen der Lean Coffee Methode eine gute Moderation wichtig ist. Auch die konsequente Visualisierung und Einhaltung der vereinbarten Timebox trägt zum Erfolg des Formats bei. Wir empfehlen euch dieses Veranstaltungsformat insbesondere für kleinere bis mittelgroße Gruppen von 5-12 Personen. Dann könnt ihr viele der genannten Themen auch während der für das Meeting vorgesehenen Zeit bearbeiten. Bei größeren Gruppen besteht die Gefahr zu wenige der Themen wirklich in Tiefe besprechen zu können. Das kann dazu führen, dass ihr die Teilnehmer*innen nicht langfristig von der Effizienz des Formats überzeugen könnt. Außerdem kann dies dazu führen, dass die dynamischen Energie die der Lean Coffee normalerweise mit sich bringt nicht aufkommt. Ein Verlust an Interessent*innen wäre schade, denn wir sind davon überzeugt, dass der aktive, eigenmotivierte, individuelle Wissensaustausch in Unternehmen unbedingt eine Plattform braucht – wie beispielsweise durch ein regelmäßiges Lean Coffee Event.