In modernen Organisationsformen, wie Holacracy und der Selbstorganisation, ist das rollenbasierte Arbeiten ein fester Bestandteil. Bei diesem Bestandteil der Organisationsformen hängen Aufgaben und Verantwortlichkeiten an Rollen, statt sie direkt an Mitarbeiter*innen zu vergeben. Wie genau das funktioniert und warum es sich lohnt die Arbeitsweise auszuprobieren, erklären wir euch in diesem Beitrag. 

Definition rollenbasiertes Arbeiten 

In klassischen Organisationsformen werden Aufgaben und Verantwortlichkeiten mithilfe von starren Positionen/Stellenbeschreibungen und Hierarchien verteilt. Das rollenbasierte Arbeiten sieht vor, für alle Aufgaben, die z.B. innerhalb eines Teams oder einer gesamten Organisation anfallen, Rollen zu schaffen. Eine Rolle sollte immer in einem einheitlichen Format formuliert sein. Ihr könnt eure Rollen z.B. mithilfe folgender Aspekte beschreiben: 

  • Mit einem aussagekräftigen Titel stellt ihr sicher, dass auf den ersten Blick klar ist, wofür die Rolle da ist. 

  • Der Purpose einer Rolle spiegelt ihre Zielsetzung wider und sollte in einem prägnanten Satz beschrieben werden. 

  • Die Domäne bezeichnet das „Hoheitsgebiet“ der Rolle, also den Zuständigkeitsbereich. Der*die Rolleninhaber*in ist verantwortlich für diesen Bereich und Entscheidungen, die diesen betreffen, müssen mit ihm*ihr abgesprochen werden. 

  • Zusätzlich werden Verantwortlichkeiten für eine Rolle definiert. Dabei handelt es sich um die Aufgaben, die im Rahmen der Rolle und innerhalb der Domäne regelmäßig erledigt werden müssen. 

Ein konkretes Beispiel für eine Rollenbeschreibung findet ihr in unserem Beitrag zum Thema Holacracy. 

Eine Rolle kann von mehreren Personen übernommen werden und eine Person kann mehrere Rolle innehaben. Im ersten Fall sollte zwischen den Rolleninhaber*innen klar definiert sein, wie die Zuständigkeit aufgeteilt ist. Die Person, die eine Rolle übernimmt, ist nicht nur für das bloße Erledigen der Aufgaben zuständig. An eine Rolle ist nämlich auch immer Verantwortung geknüpft. Der*die Rolleninhaber*in ist also dafür verantwortlich, die Aufgaben bestmöglich zu erledigt und trifft die dafür notwendigen Entscheidungen selbstständig.  

Wie entsteht eine Rolle? 

Rollen sind, im Gegensatz zu festen Stellenbeschreibungen, ein fluides Konstrukt. Sie bilden in ihrer Gesamtheit zu jedem Zeitpunkt das ab, was man tatsächlich braucht und tun soll. Eine neue Rolle schafft man also aus einem konkreten Bedarf. Stellt ihr also fest, dass es Aufgaben gibt, die noch keiner Rolle fest zugeordnet sind, könnt ihr dafür eine neue Rolle schaffen. Das solltet ihr natürlich nur dann tun, wenn diese nicht bereits sinnvoll einer bereits existierenden Rolle zugeordnet werden kann. Eine neue Rolle schaffen könnte z.B. sinnvoll sein, wenn ihr einen neuen Markt erschließen oder euer Geschäftsmodell erweitern wollt. Auch aus Spannungen heraus können sich neue Rollen ergeben. Ist die Kommunikation innerhalb eures Teams nicht so, wie ihr es euch wünscht, dann erschafft eine neue Rolle. Diese könnte beispielsweise „Kommunikationsbeauftrage*r“ heißen und sicherstellen, dass sich dieser Spannung angenommen wird. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, eine Rolle in zwei aufzusplitten, wenn der Verantwortungsbereich einer Rolle zu groß geworden ist. 

Tipp: Für die Formulierung von Rollen gilt “So konkret wie nötig, so frei wie möglich.”. Eure Rollenprofile solltet ihr so detailliert und eindeutig ausgestaltet haben, dass für alle ganz klar und transparent ist, was der Zuständigkeits- und Aufgabenbereich der jeweiligen Rolle ist. Außerdem sollten alle Aufgaben, die bei euch anfallen, in Rollen verankert sein. Eine zu enge Definition von Rollen schränkt die Rolleninhaber*innen ggf. ein. Eine Rolle soll einen konkreten Rahmen bieten, der durchaus auf Aufgabenebene beschrieben werden sollte. Innerhalb dieses Rahmens sollten sich Rolleninhaber*innen dann aber frei bewegen und Entscheidungen im Sinne des Purpose der Rolle treffen können.

Der Lebenszyklus einer Rolle 

Rollen bestehen nur so lange, wie ihr sie braucht. Wenn ihr merkt, dass ihr die Rolle nicht mehr benötigt, dann könnt ihr sie abschaffen. Auch beim Anpassen von Rollen solltet ihr flexibel sein. Die Rollen sollen euch dabei helfen, Transparenz in Aufgaben und Verantwortungsbereiche zu bringen. Da sich diese in unserer heutigen volatilen VUCA Welt häufig ändern, müssen auch eure Rollen angepasst werden können, sodass sie immer das aktuelle Geschehen widerspiegeln. Die Verantwortung dafür liegt bei dem*der Rolleninhaber*in. Es gilt regelmäßig zu hinterfragen, ob das aktuelle Rollenprofil dem Purpose der Rolle gerecht wird. Damit verbunden ist die Frage, ob die Rolle wiederum zu den Zielen und dem Purpose des Teams bzw. der gesamten Organisation positiv beiträgt. 

Mehrwert des Rollenbasierten Arbeitens 

Jetzt könnte man sich fragen, was denn jetzt die große Innovation vom rollenbasierten Arbeiten ist, außer der Bezeichnung von Stellen als Rollen. Der Mehrwert wird im Vergleich deutlich. Denn wenn man das Konzept des rollenbasierten Arbeitens mal weiterdenkt, mit allem, was dazu gehört, erkennt man das volle Potenzial. 

Traditionelle Unternehmen führen bereits ihr Recruiting anhand fester Stellenbeschreibungen durch. Skills und Talente von Mitarbeiter*innen, die außerhalb ihrer zugeordneten Stelle liegen, werden nicht berücksichtigt. So kommt es nicht selten vor, dass Mitarbeiter*innen ihre Potenziale gar nicht bestmöglich einbringen können. Beim rollenbasierten Arbeiten werden Mensch und Rolle voneinander entkoppelt. Gemäß dem bekannten Motto „Hire for attitude, train for skills“, solltet ihr neue Mitarbeiter*innen anhand ihrer Persönlichkeit und Werte auswählen. Sie arbeiten dann über verschiedene Rollen in den Bereichen, in denen sie sich bestmöglich einbringen können und möchten. So kann ein*e Mitarbeiter*in, der*die klassisch eigentlich ausschließlich für das Key Account Management eingestellt wird, dank des rollenbasierten Ansatzes eine zusätzlich Rolle einnehmen. Neben der Rolle als „Kundenbetreuer*in“ kommt eine weitere Rolle z.B. als „Design Master“ im Bereich Marketing dazu, weil er*sie sehr gut darin ist, neue Marketingmaterialien zu entwerfen. Statt Mitarbeiter*innen künstlich so hinzubiegen, dass sie ihre starre Stelle ausfüllen, solltet ihr sie gemäß ihrer Stärken einsetzen. Davon profitieren beide Seiten langfristig. 

Das Arbeiten mit Rollen ermöglicht es, euch ständig jeder neuen Situation anzupassen. In Unternehmen, die mit dem klassischen Stellenmodell arbeiten, müssen neue Stellen erst aufwendig geschaffen oder gestrichen werden, wenn sich eine neue Situation ergibt. Beim rollenbasierten Arbeiten werden einfach neue Rollen geschaffen und nach Mitarbeiter*innen gesucht, die diese ausfüllen möchten und können. Das kann natürlich dazu führen, dass diese Person dann ggf. anderen Rollen nicht mehr gerecht werden kann. Unterm Strich könnt ihr aber „einfach“ Kapazitäten schieben, statt neu einzustellen oder zu kündigen. Die Übernahme von Rollen ist außerdem zeitlich viel flexibler. Rollen werden für eine Woche oder einen Monat oder ein Jahr übernommen, je nachdem wie groß der Bedarf ist. So könnt ihr Arbeitsspitzen ausgleichen und vermeiden, dass Mitarbeiter*innen überlastet oder unterbeschäftigt sind.

Wie bereits oben beschrieben, sind Rolleninhaber*innen für ihre Rollen verantwortlich und treffen die im Rahmen ihrer Rolle relevanten Entscheidungen selbst. Dadurch werden klassische Hierarchien aufgebrochen. Die Entscheidungsmacht liegt nicht mehr zentral bei der Führungskraft, sondern dort, wo das größte Fachwissen zu einem bestimmten Thema existiert – in der Rolle. Die Führungskraft schlüpft viel mehr in die Rolle des Servant Leaders und gibt fachliche Verantwortung an das gesamte Team ab. Dadurch könnt ihr Mitarbeiter*innen empowern und dazu bringen, sich wirklich einzubringen, statt nur blind ihre Aufgaben zu erledigen. Unter anderem Frederic Laloux hat im Zuge der Recherche für sein Buch „Reinventing Organizations“ herausgefunden, dass die Einführung von Rollen und das veränderte Verständnis von Führung in vielen Unternehmen dazu führt, dass Mitarbeiter*innen zufriedener sind und die Unternehmen insgesamt erfolgreicher sind. 

Häufig werden Teile von klassischen Stellen gar nicht (mehr) ausgeführt oder Mitarbeiter*innen machen zusätzlich noch andere Dinge. Kurz gesagt: in den meisten Unternehmen ist nicht eindeutig und transparent dokumentiert, wer was macht. Die Gesamtheit der Rollen und ihre Ausgestaltung bildet zu jedem Zeitpunkt das ab, was tatsächlich getan werden muss und getan wird. Das Rollenbasierte Arbeiten impliziert außerdem, dass ihr alle Aufgaben und Verantwortlichkeiten für alle sichtbar dokumentiert und laufend anpasst. Das sorgt für ein Maximum an Transparenz über Zuständigkeiten und Verantwortung in eurem Unternehmen.

Einführung von Rollen 

Wenn ihr bei euch im Unternehmen Rollen einführen wollt, sollte eure Unternehmenskultur einen gewissen Grad an selbstorganisiertem Arbeiten erlauben. Nur so bringt ihr die oben beschriebenen Potenziale vollständig hervor. Vor allem sollten die Rolleninhaber*innen in der Lage sein, bestimmte Aufgaben zu erledigen oder für diese befähigt zu werden. Dies gilt z.B. beim Übernehmen von Verantwortung, treffen von Entscheidungen oder der aktiven Ausgestaltung von Rollen.

Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen und die Rollen aktiv auszugestalten. Lasst Mitarbeiter*innen in einer Umstellungsphase von sehr klassischen und hierarchischen Strukturen hin zum rollenbasierten Arbeiten nicht alleine mit diesen Themen. Das kann zu Überforderung führen oder schlimmstenfalls euer Vorhaben scheitern lassen.

Um eure Rollen initial zu definieren, empfehlen wir euch, alle Aufgaben und Tätigkeiten zu sammeln, die ihr zum aktuellen Zeitpunkt schon ausübt. In dem Zuge lohnt es sich einmal zu hinterfragen, ob all diese Aufgaben auch zum Unternehmensziel und/oder Purpose beitragen. Solche, die es nicht tun, solltet ihr dann ggf. streichen, auslagern oder, wenn möglich automatisieren. Im nächsten Schritt sammelt ihr die Aufgaben, die ihr zusätzlich braucht, um eure Ziele zu erreichen und eure Zusammenarbeit bestmöglich zu gestalten. Vergesst außerdem nicht Dinge zu sammeln, die euch motivieren und Spaß machen. Dabei helfen und wichtig zur Stärkung eurer Unternehmenskultur sind  z.B. gemeinsame Aktivitäten, Teambuildings, etc. Diese Sammlung an Aufgaben clustert ihr dann sinnvoll, sodass sich daraus einzelne Rollen ergeben. 

Um eure Rollen stärkenbasiert zu besetzen, empfehlen wir euch, dass ihr euch die Zeit nehmt, Stärkenprofile aller Mitarbeiter*innen zu entwickeln. Bei der Besetzung von Rollen solltet ihr außerdem die Wünsche, Bedürfnisse und Entwicklungsbereiche der Mitarbeiter*innen beachten. Generell solltet ihr niemandem eine Rolle aufzwingen. Die Verteilung von Rollen solltet ihr nach dem „Pull-Prinzip“ durchführen. Mitarbeiter*innen nehmen sich nach diesem Prinzip also die Rollen – mit Kenntnis ihrer Stärken – statt sie zugeteilt zu bekommen.  

Unsere Erfahrungen 

Wir haben im Zuge der Einführung des rollenbasierten Arbeitens einige Erfahrungen gemacht, die wir gerne mit euch teilen möchten. 

  • Ihr solltet den benötigten Zeitaufwand eurer Rollen auf jeden Fall schätzen. So stellt ihr sicher, dass Rollen kapazitätsgerecht an Mitarbeiter*innen vergeben werden und einer ungleichen Auslastung entgegenwirken. 

  • Definiert den Entscheidungsrahmen eurer Rollen sehr klar. Das sollte Teil des klaren Rahmens sein, den Rolleninhaber*innen durch die Rollendefinition bekommen. Nur so können sie ungestört arbeiten, ohne sich ständig abstimmen zu müssen. Unklare Entscheidungsmacht führt in der Regel dazu, dass ihr Entscheidungen gar nicht oder zeitlich verzögert trefft. 

  • Macht euch neben den Rollen an sich auch über das Zusammenspiel der Rollen Gedanken. Bildet euch ein klares Bild darüber, wie welche Rollen miteinander arbeiten. So schafft ihr im Voraus entsprechende Strukturen und deckt Informations- und Abstimmungsbedarfe frühzeitig auf.

  • Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es häufig nicht hilfreich ist, eine Rolle an mehrere Personen zu vergeben. Innerhalb der Rolle entstehen möglicherweise schnell Unklarheit und Intransparenz über die Zuständigkeiten. In diesem Fall kann es besser sein, Aufgaben und Verantwortlichkeiten dieser Rolle nochmal in zwei Rollen aufzusplitten. 

Fazit

Im Vergleich zur oben beschriebenen „klassischen“ Beschreibung einer Rolle, haben wir aus diesen Gründen diese noch um einige Punkte ergänzt. Das haben wir hier einmal exemplarisch für euch dargestellt: 

Das rollenbasierte Arbeiten hat viele Vorteile und kann sowohl für das Unternehmen als auch für Mitarbeiter*innen vieles zum Besseren wenden. Wir haben festgestellt, dass die Einführung von Rollen aber auch viele Herausforderungen mit sich bringt. Die konsequente und detaillierte Definition von Rollen ist essenziell, um Klarheit über Verantwortungsbereiche herzustellen. Das rollenbasierte Arbeiten bedeutet eine große Umstellung, wenn ihr aus einer klassischen Organisationsform kommt. Bewertet für euch gewissenhaft, ob dieses Modell zu euch passt und umsetzbar ist. Gerade in größeren Unternehmen kann das schwierig bis unmöglich sein. Stellt euch darauf ein, dass die Umstellungsphase herausfordernd wird und ihr vielleicht ein paar Iterationen gehen müsst, bis ihr euer Optimum gefunden habt. Wir wünschen euch viel Freude und Erfolg beim Ausprobieren des rollenbasierten Arbeitens und freuen uns, von euren Erfahrungen zu hören! 

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