Selbstorganisierte Teams sind ein fester Bestandteil von agilen Arbeitsweisen, wie zum Beispiel Scrum. Selbstorganisation bedeutet, dass das Team innerhalb der Organisation den Freiraum erhält, um selbst Verantwortung für die eigenen Themen zu übernehmen. In diesem Rahmen erhält das Team weitreichende Entscheidungskompetenz und strukturiert die eigene Arbeit selbstständig. Es gibt keine Führungskraft oder Chef*in, die*der die Aufgaben an die anderen verteilt. Die Teammitglieder sind auch dafür verantwortlich, ihre Arbeit kontinuierlich zu reflektieren, um die eigene Arbeitsweise und Organisation zu verbessen.

Charakteristika von Selbstorganisierten Teams

Im Scrum Guide 2020 heißt es über diese Art von Teams: “They are […] self-managing, meaning they internally decide who does what, when, and how.” Und weiter: “They [Scrum Teams] are structured and empowered by the organization to manage their own work.”

Organisation der Arbeit im Team

Wie der Name schon sagt, findet die Arbeit im Team statt. In selbstorganisierten Teams gilt das Motto „Zusammen erreichen wir mehr als alleine“. Jede*r Einzelne versteht sich als Teil des Teams und ist fokussiert auf den Erfolg als Team. Hier ist wenig Platz für große Egos und Einzelkämpfer, vielmehr ist Teamfähigkeit gefragt. Die Organisation im Team bedeutet allerdings nicht, dass ihr alle alles macht oder alle Aufgaben immer gemeinsam erledigt werden. Vielmehr seid ihr als Team heterogen aufgestellt und es gibt diverse Kompetenzen. So ergibt sich oft schon die Rollen- und Aufgabenverteilung im Team.

Gestaltung eigener Abläufe

Im selbstorganisierten Team entscheidet ihr selbst, wie ihr zum Ziel kommt, wann und von wem welche Aufgaben erledigt werden. Dafür kommen oft agile Arbeitsweisen wie Scrum, Kanban oder auch Design Thinking zum Einsatz.

In der Praxis bedeutet das zum Beispiel: Wenn im Verlaufe eines Projektes ein Problem auftritt, kann ein solches Team komplett selbstbestimmt handeln und eigenständig Lösungen finden. Ein selbstorganisiertes Team wird nicht darauf warten, dass eine andere, hierarchisch höhergestellte Person mit einer Lösung um die Ecke kommt und lediglich die Umsetzung fordert.

Das Team reflektiert selbstständig, ob die Arbeitsweise noch passend ist oder etwas verbessert werden kann. Dazu kommen die Teammitglieder beispielsweise in Retrospektiven zusammen.

Flexible Rollen

Damit die Zusammenarbeit gelingt, gibt es in selbstorganisierte Teams eine Rollenorganisation. Jedes Teammitglied übernimmt bestimmte Rollen, die für die Erbringung des Ergebnisses notwendig sind. Wichtig hierbei ist: die Rollen sind flexibel. Wenn sich das Ziel ändert, ändern sich ggf. auch eure Rollen. Das Konstrukt wird also dynamisch an die Gegebenheiten angepasst.

Innerhalb eures selbstorganisierten Teams gibt es keine Hierarchie und jede*r trägt zum Ergebnis bei. Keine Rolle hat mehr zu sagen, als eine andere. Es wird gemeinsam bestimmt, wie Entscheidungen getroffen werden. Die Art der Entscheidungsfindung kann von Team zu Team unterschiedlich sein. Ein Weg zu effektiven und effizienten Entscheidungen ist beispielsweise der sogenannte Konsent. Wichtig ist dabei, dass ihr in euren Rolle ebenfalls Entscheidungen im eigenen Kompetenzbereich treffen könnt. Nicht jede Entscheidung muss im gesamten Team gefällt werden.

Hohe Entscheidungskompetenz

Damit ihr als Team wirklich selbstorganisiert arbeiten und Verantwortung für eure eigenen Themen übernehmen könnt, braucht ihr die Hoheit, gewisse Entscheidungen selbstständig treffen zu können. Nur so könnt ihr Geschwindigkeit aufnehmen und effektiv handeln. Euer Team sollte als Gruppe von Experten wahrgenommen werden, die für ihren Bereich die besten Entscheidungen treffen können.

Wie genau die Entscheidungsbefugnisse aussehen, solltet ihr mit weiteren Beteiligten vorab klären. Für alle sollte möglichst zu jeder Zeit klar sein, welche Verantwortungen und Entscheidungen wirklich im Team liegen und wann auch andere Stakeholder mit ins Boot geholt werden sollten. Hier kann der Einsatz von Methoden, wie z.B. Delegation Poker, mehr Klarheit bringen.

Der passende Rahmen für Selbstorganisation

Selbstorganisierte Teams sind der Kern der agilen Arbeitsorganisation. Diese Art der Organisation steht im klaren Gegensatz zu klassisch hierarchisch organisierten Unternehmen, in denen Entscheidungen von einer Führungskraft getroffen werden und das Team diesen folgt.

Die Einführung agiler Arbeitsmodelle und selbstorganisierter Teams bedarf also einem radikalen Wandel in der Unternehmensorganisation. Das bedeutet auf der einen Seite für Mitarbeiter*innen, dass sie deutlich mehr Verantwortung übernehmen und gestalten können und müssen. Auf der anderen Seite müssen sich vor allem Führungskräfte darauf einlassen, diese Verantwortung abzugeben.

Auf dem Weg hin zu einem selbstorganisierten Team ist aus unserer Sicht ein essentieller Faktor, dass das Team sich gut kennt und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist. Dies erfordert nicht nur die Einführung von Strukturen und Abläufen, sondern vorallem Arbeit an sich selbst und am Zusammenwirken im Team. Einen ersten Grundstein dafür legt zum Beispiel der nativDigital Team Journey Workshop. Ihr arbeitet gemeinsam daran Verständnis für einander aufzubauen, eure bisherige Zusammenarbeit zu reflektieren und Maßnahmen für die Zukunft festzulegen.

Natürlich müssen aber auch die Strukturen und Abläufe in Unternehmen ermöglichen, dass ein selbstorganisiertes Team auch wirklich so arbeiten kann. Organisationsmodelle wie Holacracy  sind Ansätze, die diese Art der Arbeitsweise in den Mittelpunkt stellen. Gekennzeichnet sind sie neben der Struktur vor allem durch ein verändertes Werte-Set. Aspekte einer Kultur, die Selbstorganisation erst möglich machen, sind beispielsweise:

  • Vertrauen in die Fähigkeiten aller Kolleg*innen

  • eine offene Fehlerkultur

  • die Offenheit, Wissen zu teilen

  • eine gute Feedbackkultur

  • der Wille Verantwortung zu übernehmen

Die Charakteristika selbstorganisierter Teams zeigen deutlich, dass diese zwar viele Freiheiten haben müssen, sich aber nicht in einem regelfreien Raum bewegen. Ganz im Gegenteil, bestimmte Regeln und Vereinbarungen sind sogar notwendig, wenn ihr selbstorganisiert arbeiten wollt. Nur so hat euer Team die nötige Klarheit über ihren Freiraum und kann wirklich eigenständig agieren.

Neben der Klarheit über Entscheidungskompetenzen ist auch eine klare Unternehmensstrategie hilfreich. An dieser können sich die Teams orientieren und eigene Ziele ableiten. Methoden wie OKR (Objectives & Key Results) bieten euch dafür eine hilfreiche Struktur. Dabei können Obejctives auf Unternehmens-Ebene die Richtung vorgeben und gleichzeitig genug Gestaltungsspielraum für selbstorganisierte Teams lassen.

Auch Selbstorganisierte Teams brauchen Führung

Auch in Bezug auf Führung ist ein verändertes Verständnis notwendig, wenn Teams selbstorganisiert arbeiten. In einer agilen Organisation mit selbstorganisierten Teams müssen Führungskräfte lernen, Verantwortung für operatives und für bestimmte Entscheidungen abzugeben. Vielmehr nehmen sie die Rolle von echten Leadern und „Möglichmachern“ ein.

Aber keine Angst liebe Führungskräfte, es bleibt genug zu tun! Ihr könnt euch aus dem operativen Tagesgeschäft zurückziehen und dafür mehr an strategischen Zielen arbeiten. Ihr haltet den Teams den Rücken frei und schafft für sie Freiräume. Außerdem könnt ihr euch auf eine, aus unserer Sicht, Kernaufgabe von Führung konzentrieren: Menschen und ihre Entwicklung. Ein spannender Ansatz in diesem Zusammenhang ist das sogenannte „Servant Leadership“, also die „dienende Führung“.

Selbstorganisation bedeutet also in keinem Fall, dass keine Führung mehr nötig ist. Diese verteilt sich einfach nur anders. Am Beispiel einer Scrum Organisation kann man dies veranschaulichen. Dabei haben wir verschiedene „Führungskräfte“, die in sehr unterschiedlichen Bereichen die Hauptverantwortung übernehmen:

  • Ein Scrum Master führt im Sinne eines Coaches. Er*sie vermittelt dem Entwicklungsteam Techniken zur Selbstorganisation und Weiterentwicklung.

  • Ein Product Owner führt in einem relativ klassischen Sinne einer fachlichen Führungskraft. Er*sie trägt die Ergebnisverantwortung und ist außerdem für Zielsetzungen, Entscheidungsfindungen und Aufgabenmanagement verantwortlich.

  • Daneben kann es weitere Führungskräfte, wie z.B. eine Geschäfts- oder Abteilungsleitung geben. Diese geben das größere Ziel vor und das Scrum Team trägt zu dessen Erreichung bei.

Der Unterschied zu einem klassischen Führungsverständnis: Diese Führungsrollen haben die Aufgabe das Team zu unterstützen und einen Rahmen vorzugeben, sodass es störungsfrei und selbstorganisiert arbeiten kann. Sie sind nicht dafür zuständig, dem Team vorzugeben, wie es an das gesetzte Ziel kommt.

Chancen und Risiken von selbstorganisierten Teams

Das hört sich alles ganz wunderbar an. Uns ist aber auch bewusst, dass das alles nicht immer so einfach umzusetzen ist. Außerdem kommt häufig die Frage auf: Ist eine solche Art zu Arbeiten überhaupt immer sinnvoll?

Welchen Mehrwert bieten uns selbstorganisierte Teams?

Aus unserer Sicht ist eine Organisation in selbstorganisierten Teams in vielen Fällen sinnvoll. Insbesondere in sehr komplexen Umfeldern kann eine Führungskraft nicht mehr alle Themen fachlich überblicken und Entscheidungen gut informiert treffen. Stattdessen sollten diese Entscheidungen vielmehr dort getroffen werden, wo sie anfallen und von denen, die den tiefsten Einblick in die Themen haben. Das führt zu besseren Entscheidungen für das Unternehmen.

Ein weiterer Vorteil von selbstorganisierten Teams ist oft die beobachtete Steigerung von Motivation und Engagement. Und das ist doch auch irgendwie klar, oder? Wenn Mitarbeiter*innen selbst mitgestalten können, anstatt nur Handlanger für Aufträge von „denen da oben“ zu sein, motiviert das.

Welche Risiken verbergen sich dahinter?

Auf der anderen Seite sind wir uns aber auch bewusst, dass nicht jede*r Verantwortung übernehmen möchte. Außerdem ist es insbesondere zu Beginn für Menschen oft sehr schwer, die eigene Arbeit selbst zu organisieren und mit Verantwortung umzugehen. Wenn eine Organisation die Transformation zur Selbstorganisation durchläuft, ist das keineswegs ein leichter und schneller Weg. Es ist nicht damit getan ein agiles Framework einzuführen. Vielmehr ist es ein langer Lern- und Entwicklungsprozess, in dem eine positive Fehlerkultur dazu beiträgt, dass die Mitarbeiter*innen wachsen können. Wir erleben, dass die radikale Umstellung von klassischer Führung zur Selbstorganisation oftmals ein Vakuum entstehen lässt. In diesem Zeitpunkt ist für niemanden so richtig klar, wer was macht und entscheidet. Wir empfehlen euch daher, euch der Selbstorganisation eher schrittweise zu nähern. Auch eine enge Begleitung dieser Veränderung durch z.B. agile Coaches kann helfen.

Bei einer schrittweisen oder erst einmal nur teilweisen Einführung von Selbstorganisation kann es jedoch auch zu Spannungen kommen. Einzelne Teams, die in ansonsten hierarchischen Organisation selbstorganisiert arbeiten, stoßen schnell an ihre Grenzen. Wenn die Umwelt anders arbeitet als das eigene Team, führt das häufig zu Frustration. Das Team könnte möglicherweise den Glauben an die Selbstorganisation verlieren. Für eine optimale Umsetzung ist es wichtig, dass ihr den Wirkungsgrad der selbstorganisierten Teams so hoch wie möglich haltet. Definiert außerdem klare Spielregeln für die Umwelt und deren Umgang mit diesen Teams.

Es gilt außerdem herauszufinden, ob und in welcher Form selbstorganisierte Teams wirklich sinnvoll für eine Organisation oder einen Bereich sind. Alles, was wir hier ansprechen, sind lediglich Ansätze, die ausprobiert werden können. Es gibt leider, wie so oft, kein Patentrezept. Jedes Unternehmen muss hier den eigenen Weg finden. Wie wir mit diesen Herausforderungen umgehen, erfahrt ihr in unserem Blogartikel “New Work Umsetzung”. Tut das, was sich für eure Organisation gut und richtig anfühlt und wodurch eure Mitarbeiter*innen effektiv und mit großer Motivation zusammenarbeiten.