Das Thema Robotic Process Automation (RPA) steht bei einer Vielzahl von Unternehmen auf der Innovationsagenda der nächsten Jahre. Expert*innen gehen für das laufende Jahr von einem weltweiten Umsatz von ca. 1,5Mrd $ aus und schätzen für 2022 ein starkes Wachstum auf ca. 3Mrd $. Einer Umfrage von Deloitte zur Folge planen 78% der Unternehmen, welche bereits Initiativen im Bereich RPA ergriffen haben, diese signifikant zu intensivieren. Dazu taucht das Thema vermehrt in Fachmagazinen und der Presse auf. Sicher auch deshalb, weil es nur zu gut zum Zeitgeist passt. Die Digitalisierung wird uns in den nächsten Jahren begleiten, interne Unternehmensprozesse verschlanken und dadurch die Arbeitswelt von morgen erheblich beeinflussen. Was steckt also hinter RPA? Für welche Fachbereiche ist RPA spannend und welche Mehrwerte liefert es?
Was steckt hinter Robotic Process Automation (RPA)?
Robotic Process Automation wird häufig – wie im Namen bereits angedeutet – mit Robotern verglichen und verbildlicht. Doch handelt es sich wirklich um Roboter, die im Unternehmen herumlaufen und Aufgaben erfüllen? Nicht so ganz. RPA verfolgt den Ansatz mit Hilfe von speziellen Software-Tools computergestützte Prozesse zu automatisieren. Diese Tools bieten sowohl die Möglichkeit mit Oberflächen jeglicher Applikationen zu interagieren und Nutzer*inneneingaben zu imitieren als auch in bestimmten Fällen über Schnittstellen mit den Anwendungen zu kommunizieren. Mittels Optical Character Recognition Engines (OCR) ist es möglich, Formulare und andere Dokumente (PDFs) auszulesen und zu verarbeiten. Die Daten können dann prozessiert, umstrukturiert und abgelegt werden. Diese Funktionen lassen sich mit Hilfe der Tools in eine logische Reihenfolge bringen, sodass man einen auf den Prozess angepassten Workflow erstellen kann.
Die Fähigkeit der Imitation der Interaktion zwischen Mensch und IT-Anwendung und die Verarbeitung der Daten in Kombination mit der Möglichkeit, die einzelnen Aktionen in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen, schafft die Grundlage dafür, dass viele computergestützte Prozesse mit Hilfe von RPA automatisierbar sind.
Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht. Prozesse bzw. Aufgaben müssen einige Kriterien erfüllen, um sinnvoll mit Hilfe von RPA-Software umsetzbar zu sein.
Welche Kriterien muss ich erfüllen, um von Robotic Process Automation zu profitieren?
Die weiter oben beschriebenen technischen Möglichkeiten könnten den Gedanken aufkommen lassen, dass RPA sämtliche Prozesse automatisieren kann. Zumindest so lange sie computergestützt sind bzw. sich durch Software steuern und durchführen lassen. Das ist bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen wahr. Denn damit ein Ablauf automatisiert ablaufen kann, muss das der Software-Roboter wissen, wann er welche Aktionen in welcher Reihenfolge durchführen soll. Daraus ergibt sich, dass man jeden möglichen Prozessablauf vorher einprogrammieren muss. Es gibt zwar Bestrebungen die Tools mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) anzureichern und Entscheidungssituationen zu unterstützen, allerdings befindet sich die Thematik bisher noch in den Kinderschuhen.
Aus dieser Gegebenheit leitet sich ab, dass besonders Abläufe genau dann besonders gut geeignet sind für die Automatisierung, welche größtenteils nach dem gleichen Schema ablaufen und auf klaren Regeln beruhen. Sollen beispielsweise eingehende Rechnungen ausgelesen, weiterverarbeitet und in ein ERP-System eingetragen werden, ist Robotic Process Automation perfekt geeignet. Sollen Fehler im IT-System im Support gelöst und ausgebessert werden, ist in der Regel kein klarer Ablauf definiert und daher ab einem gewissen Grad die menschliche Intelligenz unabdingbar. Neben klaren, regelbasierten Abfolgen müssen zudem die eingehenden und zu verarbeitenden Daten standardisiert und durch Maschinen lesbar sein. Um bei dem Beispiel mit den Rechnungen zu bleiben: Werden Rechnungen in völlig unterschiedlichen Formaten verschickt und sind sie gegebenenfalls handschriftlich verfasst bzw. schlecht lesbar gescannt, haben RPA Tools Probleme, diese zu verarbeiten. Bei gleich formatierten PDF-Dokumenten können die Tools die Dokumente mit Hilfe von OCR (Optical Character Recognition) Engines zuverlässig verarbeiten.
Robotic Process Automation als Business Case
Die Vorteile von Robotic Process Automation liegen auf der Hand. Doch unter dem Strich muss die Implementierung und Anwendung auch einen Nutzen mit sich bringen, der die Investitionskosten übersteigt. Mit der Einführung sind sowohl einmalige Kosten bei der Entwicklung bzw.
Umsetzung der Prozesse mit dem gewählten RPA Tool – ungeachtet ob mit eigenen Ressourcen oder externen Dienstleistern – als auch laufende Kosten durch Lizenzgebühren für die Tool Anbieter zu beachten. Auch fallen Kosten für die Wartung der laufenden Prozesse und das Schulen der Mitarbeiter im Umgang mit den Tools an. Da es sich hierbei allerdings nicht um die komplette Neuentwicklung von IT-Systemen oder Schnittstellen handelt, lassen sich Prozesse in der Regel innerhalb von wenigen Wochen umsetzen und produktiv schalten. Dadurch sind – auch gebündelt mit Lizenzkosten – die Investitionskosten in der Regel innerhalb eines Jahres wieder amortisiert. Dieser Vorteil ergibt sich, weil der Nutzten je nach Prozess schnell messbar ist. Ein großer Faktor liegt im ersten Moment auf der Hand:
Werden Aufgaben bzw. Prozesse automatisiert, kann Arbeitszeit eingespart werden. Weitere Kriterien für die Anwendbarkeit eines Prozesses für RPA, ist sowohl die Zeit, die jemand für die Durchführung manuell brauchen würde als auch das Volumen, also die Anzahl an Vorgängen, die innerhalb einer Periode durchgeführt werden muss. Bei einem Prozess, der 200x in der Woche durchgeführt wird und jeweils 15 Minuten manuelle Arbeitszeit benötigt, könnte man durch die Automatisierung bei 52 Wochen ein Volumen von 2.600 Arbeitsstunden einsparen.
Robotic Process Automation als Jobkiller? – Weitere Vorteile und andere Perspektiven
Durch die Anwendung von Robotic Process Automation kann Arbeitszeit eingespart werden. Die Prozesse müssen gewisse Kriterien erfüllen, um für die Anwendung von RPA geeignet zu sein und wirtschaftlichen Nutzen zu bringen. Diese Tatsache muss nicht dazu führen, dass Arbeitsplätze wegfallen. Die dadurch entstehende Entlastung gibt Kapazitäten frei, die Mitarbeiter*innen darauf verwenden können, sich anderen Aufgaben zu widmen. So können Jobprofile angereichert und auch Wachstumsstrategien mit gleichbleibender Arbeitskraft verfolgt werden. In Bereichen wie dem Onboarding neuer Kunden in bestehenden Systemen oder der Verarbeitung von Bestellungen (Order-To-Cash) können durch Automatisierung zudem sowohl die Service-Rates als auch die Genauigkeit erhöht werden. Die Aufgaben werden automatisch angestoßen und verarbeitet und so können menschliche Fehler ausgeschlossen werden.
Das Level einer RPA Einführung kann von der Implementierung eines einzelnen Robots bis hin zu einer ganzheitlichen RPA Strategie über viele Zwischenstufen ablaufen. Die Möglichkeit einer ganzheitlichen Strategie bietet dabei langfristig einen entscheidenden Vorteil für das Unternehmen. Durch eine umfassende Betrachtung von Prozessen kann man diese hinterfragen und gegebenenfalls nachhaltig anpassen. Dadurch ist es möglich Effizienzen zu generieren und Risiken für zukünftige Anpassungen im Prozess zu minimieren.
RPA – Eine Lösung zur Automatisierung von Prozessen
RPA eignet sich als hervorragende Technologie, um computergestützte Prozesse mit Hilfe von speziellen Tools zu automatisieren. Diese Tools können mit Oberflächen bestehender Software interagieren, Daten intern verarbeiten, Dokumente auslesen und diese Schritte in einer sinnvollen, prozessbezogenen Abfolge ausführen. Der generierte Nutzen hängt allerdings ganz stark davon ab, wie gut geeignet die untersuchten Prozesse für die Anwendung von RPA sind. Zudem ist auch der Nutzen nicht nur in eingesparter Arbeitszeit, sondern in vielen Dimensionen zu messen. Sind geeignete Prozesse identifiziert und erfolgreich bewertet, bringt Robotic Process Automation einen erheblichen Nutzen mit vergleichsweise geringen Investitionskosten. Allerdings sollte während des gesamten Prozesses der Einführung, vor allem im Vorhinein, neben der sinnvollen Abgrenzung der (Teil-)Prozesse stets hinterfragt werden, ob ein Prozessreengineering oder eine Anpassung in der IT-Infrastruktur in Verbindung mit RPA nicht die geeignetere Alternative wäre.