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Der Taylorismus ist der Inbegriff der unterdrückten Kreativität im Arbeitsalltag. Kleinstschrittige Prozessabläufe, die strikte Trennung von Hand- und Kopfarbeit und die Monotonie der immergleichen Tätigkeit unterbinden jeglichen Innovationsgedanken und schüren paradoxerweise dennoch den Wunsch nach grundlegender Veränderung.

Vor dem Hintergrund von Arbeiten 4.0, New Work, Agilität, Work Life Balance und Digitalisierung klingt diese Wahrnehmung der prägenden Arbeitsphilosophie des 20. Jahrhunderts kaum trag- und adaptierbar. Doch wird diese öffentliche Wahrnehmung dem Taylorismus gerecht? Wo passen die Lösungen des 20. Jahrhunderts möglicherweise doch zu Problemen von 2020 und was genau kann man vom Taylorismus lernen?

Die historische Notwendigkeit des Taylorismus

Der Ingenieur Frederick Winslow Taylor entwickelte um 1900 ein Konzept zur Modernisierung der Arbeitsweise in der Industrie. Damit legte er den Grundstein für die Lösung der Probleme in der Industrie Ende des 19. Jahrhunderts. Die beginnende Globalisierung und fortschreitende Industrialisierung stellten die bestehende Wirtschaftsstruktur der lokalen Manufakturen vor die Herausforderung effizienter zu arbeiten. Die Märkte wurden breiter und eine immer stärker konsumorientierte Gesellschaft forderte hoch qualitative Produkte zu bezahlbaren Preisen.

Die Taylor Wanne

Dadurch entstand ein enormer Effizienzdruck für die Industrie. Diese begegneten Taylor und einige andere durch folgende Veränderungen:

  • Auswahl weniger Werker*innen, die eine Arbeit im Sinne des Unternehmens am besten vollziehen
  • Beobachtung und Dokumentation ihrer Arbeitsschritte
  • Auswahl der jeweils schnellsten Schritte durch Messung mit der Stoppuhr
  • Weglassen nutzloser Schritte
  • Zusammensetzen des neuen Arbeitsprozesses aus den jeweils schnellsten Schritten

Durch die Umsetzung in der Produktion (allen voran bei der Ford Motor Company für die Fließbandproduktion des Model T) führte dies zu einer massiven Effizienzsteigerung. Das daraus resultierende hohe Wirtschaftswachstum prägte die gesamte Arbeitswelt des 20. Jahrhunderts. Ohne diese Entwicklung hätte eine moderne, globalisierte Wirtschaft nicht mit einer solchen Geschwindigkeit aufgebaut werden können. Der Taylorismus legte in seiner Form die Grundlage für die moderne Arbeitsgesellschaft.

Die moderne Arbeitswelt und die Notwendigkeit von Agilität und Kreativität

Das Aufbrechen der klassischen Produktionsstandorte durch Marktliberalisierungen Ende der 1970er Jahre, die massenhafte Verbreitung von digitalen Strukturen und vor allem die globale Vernetzung durch die Entwicklung des Internet sorgten gegen Ende des 20. Jahrhunderts für eine Veränderung des globalen Wirtschaftsraums. Produktzyklen werden immer kürzer und die Märkte rücken wieder deutlich enger zusammen.

Dies resultiert in einer sogenannten VUCA Welt. VUCA ist ein Akronym, das sich auf „volatility“ („Volatilität“), „uncertainty“ („Unsicherheit“), „complexity“ („Komplexität“) und „ambiguity“ („Mehrdeutigkeit“) bezieht. Schenkt man einigen Prognosen Glauben, werden 2045 über 50% der Menschen in Jobs arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt [1]. Viele Produktionsprozesse sind höchst effizient, jedoch nicht auf markt- oder kundengeforderte Innovation ausgelegt.

Diese VUCA Faktoren kann man nicht mehr mit einer klassisch-tayloristischen Top-Down Strategie steuern, wie sie vor allem durch starre Regeln und feste Arbeitsabläufe in vielen Unternehmen etabliert ist. Hier spielen agile Arbeitsweisen und Bottom-Up Strategien ihre Stärken aus, die genau diese Innovationskraft und die Nähe zu Kund*innen in den Mittelpunkt ihrer Philosophie stellen.

Die versteckte Agilität des Taylorismus

Der Taylorismus ist per Definition nicht agil. Jedoch beruht die Initiierung tayloristischer Arbeitsprozesse auf innovativen, kreativen Methoden. Oben genannte Arbeitsschritte wie Beobachtung und Dokumentation der Ergebnisse oder Weglassen nutzloser Schritte sind schon immer Teil tayloristischer Designprozesse gewesen. Ändern wir nun den Bezug von unternehmensintern zu kundenorientiert und fügen regelmäßige, kritische Iterationen ein, haben wir in Grundzügen ein agiles System.

Lasst uns aufhören, Agilität um jeden Preis durchzusetzen

„Wir arbeiten jetzt agil“. Dieser Satz wird mittlerweile höchst inflationär genutzt und sorgt häufig eher für eine Profilierung der Führungskraft, als für eine tatsächliche Anpassung der Prozesse an die Anforderungen der VUCA Umgebung. Dabei gibt es Situationen und Positionen, für die genau diese agile Umgebung kontraproduktiv ist.

Es braucht häufig eine Get-Shit-Done Mentalität, um effizient Aufgaben abzuarbeiten. Viele Call-Center nutzen zum Beispiel sehr erfolgreich Neo-Tayloristische Ansätze. Dabei hinterfragen sie diese jedoch kritisch bezüglich Effizienz und Kundenzufriedenheit und passen sie gegebenenfalls an.

Automatisierung tayloristischer Aufgabenpakete und Prozesse

Viele Unternehmen betreiben ein massives Outsourcing von Aufgabenpaketen und Prozessen, die eine tayloristische Steuerung benötigen. Wir erkennen im Gespräch mit unseren Kund*innen und Partner*innen vermehrt einen Trend, dieses Outsourcing zu stoppen und gegebenenfalls zu höheren Preisen wieder intern abzuwickeln, auch aufgrund von Prozesssicherheit und der Wahrung der internen Datenhoheit. Um diese Aufgaben nachhaltig und effizient intern abzubilden kann es helfen, sich von Themen wie intelligenter Prozessautomatisierung oder innovativem Prozessdesign inspirieren zu lassen.

[1] https://www.businessinsider.de/in-25-jahren-wird-die-haelfte-der-jobs-nicht-mehr-existieren-es-gibt-nur-eine-moeglichkeit-kinder-darauf-vorzubereiten-2018-8

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