Agilität – eines der aktuellen Buzzwords im Unternehmenskontext. Seit einigen Jahre wird der Begriff schon fast inflationär in Unternehmen verwendet. Insbesondere dann, wenn man sich als moderne, fortschrittliche und innovative Organisation darstellen möchte. Viele Unternehmen probieren sich im Bereich Agilität aus und setzen einzelne Methoden für die Arbeit in Projekten oder einzelnen Teams ein. In einigen Bereichen agile Methoden wie Scrum oder Kanban einzusetzen, heißt aber noch lange nicht agil zu sein. Nur wenige Unternehmen haben es geschafft ein agiles Mindset zu etablieren und zu einer vollständig agilen Organisation zu werden.
Agilität ist kein neues Thema
Agilität hat an Bekanntheit und Relevanz gewonnen, ist jedoch kein neues Thema. Vielmehr handelt es sich um langjährig bewährte Ansätze, die nun auf das gesamte Unternehmensumfeld adaptiert werden. Den Ursprung hat Agilität in der Softwareentwicklung. Bereits 2001 formulierte eine Gruppe erfahrener Entwickler das „Manifesto for Agile Software Development“. Mittlerweile haben Unternehmen erkannt, dass sich diese Prinzipien der Zusammenarbeit und Produktenwicklung nicht nur für die Softwareentwicklung eignen, sondern auf das gesamte Unternehmen übertragen werden können.
Eine veränderte Umwelt erfordert veränderte Herangehensweisen
Warum aber ist Agilität gerade in den letzten Jahren zu so einem Trendthema geworden? Das Thema ist zwar nicht neu, aber in der aktuellen Welt von größerer Relevanz als noch vor einem Jahrzehnt. Unsere Umwelt verändert sich stark, das merken wir in allen Lebensbereichen. Sie wird immer komplexer und es wir zunehmend schwierig, Voraussagen über Entwicklungen von Märkten, Technologie und Wettbewerb zu stellen. Man spricht auch von einer VUCA-Welt, die geprägt ist durch Volatilität (volatility), Unsicherheit (uncertainty), Komplexität (complexity) und Ambiguität (ambiguity). Durch die Globalisierung und vor allem den rasanten technologischen Fortschritt werden Produktlebenszyklen stark verkürzt und die Innovationsgeschwindigkeit nimmt zu. So drängen immer mehr Wettbewerber immer schneller in Märkte und disruptieren etablierte Gleichgewichte. Um in diesem Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben, sind von Unternehmen extreme Reaktions- und Anpassungsfähigkeit gefragt.
Neben diesen externen Einflüssen, setzen auch unternehmensinterne Veränderungen Organisationen zunehmend unter Druck. Unsere gesellschaftliche Wertestruktur befindet sich in einem Veränderungsprozess. Unternehmen bekommen dies insbesondere durch Mitarbeiter*innen ab der Generation Y zu spüren, die bestehende Strukturen hinterfragen und sich in diesen oft wenig wohl und verstanden fühlen. Sie streben nach Sinn und Selbstverwirklichung in der Arbeit und möchten selbständig und unabhängig arbeiten.
Agilität als Antwort auf die VUCA-Welt
Diesem internen und externen Druck stehen viele Unternehmen erstarrt gegenüber. Durch langjährig gewachsene, eingefahrene Strukturen und Hierarchien sind Unternehmen oft eher träge und langsam. Ihre klassischen Managementpraktiken sind darauf ausgelegt mit festgelegten Strategien, Strukturen und Prozessen auf Herausforderungen zu reagieren. Dieses Vorgehen funktioniert in der VUCA-Welt nicht mehr. Die hohe Geschwindigkeit der Veränderung und die Unvorhersehbarkeit fordern von Unternehmen die Fähigkeit, sich kurzfristig auf veränderte Gegebenheiten anzupassen. Wie das Wort schon sagt, kann Agilität hier Abhilfe schaffen und genau diese benötigte Fähigkeit sein.
Agile Methoden können Unternehmen die nötige Flexibilität verleihen. Dabei handelt es sich hier nicht um eine einzusetzende Methode und – tada alles wird besser! Agilität muss ganzheitlich als Fähigkeit und Mindset gedacht werden und findet auf vielen Ebenen im Unternehmen Anwendung. Der Einsatz von Methoden wie beispielsweise Scrum setzt auf der Prozessebene an und sorgt hier durch iterative Arbeitsprozesse für höhere Flexibilität. Eine agile Organisation ändert darüber hinaus grundsätzlich die Strukturen – Silos werden aufgebrochen, Teams sind heterogen und arbeiten interdisziplinär sowie bereichsübergreifend zusammen. Der Fokus verschiebt sich weg von der Aufbau- hin zur Ablauforganisation.
Agile Führung stellt den Menschen in den Mittelpunkt
Damit einher geht auch die Veränderung der Führungsrolle. Eine Führungskraft in einer agilen Organisation wird nicht mehr als Expert*in mit dem meisten Wissen gesehen, der die Entscheidungen trifft und als Kontroll- und Entscheidungsinstanz fungiert. Stattdessen ist die Führungskraft Coach und Schaffer für Rahmenbedingungen, motiviert die selbstorganisierten Teams neugierig zu sein und gewährt ihnen ausreichend Handlungsspielraum. Hierdurch wird klar der/die Mitarbeiter*in mit seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen in den Mittelpunkt gestellt.
Kund*innen sind König
Agilität verändert grundlegend den Blick auf das Unternehmensziel. Heute arbeiten die meisten Unternehmen mit dem Ziel die Unternehmensführung durch Gewinnmaximierung, Kostensenkung und Effizienzsteigerung jubeln zu lassen. In einer agilen Organisation ist hingegen die Kund*innenzufriedenheit oberstes Ziel. Alles ist darauf ausgelegt, flexibel auf Kund*innenwünsche zu reagieren und den Kund*innen zufrieden zu stellen.
Agile Methoden einzusetzen heißt noch lange nicht agil zu sein
Viele Unternehmen probieren sich aus und machen erste agile Schritte. Dabei werden insbesondere Methoden wie Scrum, Design Thinking, Design Sprint oder Lean Start-Up in neuen Projekten oder einzelnen Teams eingesetzt. Das ist für den Anfang gut so, macht eine Organisation aber noch lange nicht agil. Das volle Potential von Agilität im Unternehmen lässt sich nur über das Thema Mindset entfalten. Um aus dem Modewort wirklich einen Mehrwert für ihr Unternehmen zu schaffen, braucht es Zeit, Fingerspitzengefühl und vor allem den Willen etwas zu verändern. Wichtig ist aber auch – werdet nur so agil, wie es euren Umweltbedingungen entspricht. Wo die Umweltbedingungen keine Agilität erfordern, wird die Etablierung auch keinen signifikanten Mehrwert bringen.